Der Vogelmann
Jahr.« Essex sah nicht auf. »Ein Algerier, der in einer Sozialwohnung in der Old Kent Road seine alte Dame umgebracht und in eine Gefriertruhe gesteckt hat. Sechs Monate, bevor man sie gefunden hat.« Er nahm einen Schluck Bier. »Drei Monate lang war der Strom abgestellt gewesen.«
»Sie sind nicht zu erschüttern, was?«
»Stimmt. Dann gab es unseren Freund Colin Ireland. Hat die Katze seines Opfers getötet und sie dem Opfer …«
»Ja, ich habe davon gehört. Vielen Dank.« Caffery war plötzlich sehr müde. Er rieb sich die Augen. »Also sagen Sie schon: Was hat sie für uns?«
»Hm.« Essex überflog die Nachricht. »Wollen mal sehen, Toxikologie und Histologie, Haaranalysen. Also gut, hier steht: Toxikologie, von unserem nichtidentifizierten Opfer, diejenige, die als erste gestorben ist, war drogenabhängig: In tiefen Gewebeschichten wurden Benzoylecogonin und Diamorphin gefunden.«
»Benzoylecogonin und Diamorphin – das heißt Koks und Heroin?«
»Mit Sicherheit.« Bei Shellene Craw haben wir eigentlich keine Bestätigung gebraucht, aber unsere Expertin hat sie uns dennoch geliefert, und zwar für Heroin, Koks, Ecstasy und Crack. Und für Wilcox ist ebenfalls die Bestätigung gekommen, ebenfalls Heroin. Bei Hatch war der Befund auch positiv, genau wie wir gedacht haben, und, Überraschung, Überraschung …« Er sah auf. »Ein negativer Befund bei Spacek. Nicht einmal Crack. Sie war clean.«
»Todesursache?«
»Ah, ja.« Er überflog den Befund und stieß einen leisen Pfiff aus. »Krishnamurthi ist ein Einstein! Volltreffer.« Er sah Caffery aufgeregt an. »Heroin. Direkt in den Hirnstamm injiziert. Alle Funktionen sind sofort zum Stillstand gekommen, Herz, Lungen, alles. Die Opfer haben überhaupt nichts gespürt. Sie waren sofort tot.«
»Sehen Sie?« sagte Jack. »Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?«
»Ja, die Sache mit dem Krankenhaus.«
»In den Hirnstamm, um alles in der Welt. Können Sie sich vorstellen, daß irgendein schäbiger Dealer weiß, wie er den Hirnstamm finden sollte, mein Gott…«
»Mich müssen Sie nicht überzeugen«, murmelte Essex und las den Bericht weiter. »Wissen Sie was?« Er hielt das Papier hoch. »Das wird Ihnen auch gefallen, Jack. Der Vogelmann ist ein reinlicher Verrückter. Entweder das, oder er kennt sich im Bereich der Gerichtsmedizin genügend aus, um seine Spuren zu beseitigen.« Essex brachte den Bericht zum Schreibtisch und faltete ihn sorgfältig entlang der Perforation zusammen. »Sieht aus, als hätten sie einverständlichen Sex gehabt, aber der Vogelmann benutzt ein Kondom, und Jane Amedure sagt, er achtet darauf, daß sich die Mädchen hinterher waschen. Oder er wäscht sie, nachdem sie tot sind. Sie alle haben Spuren von Seife in der Vagina. Sehen Sie, jede Probe hat die gleiche Konzentration von Sodastearat oder Fett. Marke: die gute alte Wrights Kernseife.«
»Aber wenn er so vorsichtig ist, wie erklären Sie sich dann den Samen auf dem Unterleib?«
»Vielleicht verschüttet er ein bißchen, wenn er das Kondom abnimmt.« Essex zuckte die Achseln. »Oder er geht aus ihnen raus, nimmt das Kondom ab und holt sich einen runter – tut mir leid, wir wollen den richtigen Ausdruck benutzen, er masturbiert auf ihren Bauch. Er veranlaßt sie, sich zu waschen, oder er wischt es später selbst ab, nachdem er sie umgebracht hat. Aber …« Er hob die Hände. »Er ist nicht ganz so vorsichtig, wie er denkt, weil er Spuren hinterläßt.« Er trank sein Bier aus und zerdrückte die Dose. »Außerdem haben wir hier noch die hämatologische Untersuchung, die Spektralanalyse des Müllsacks und der Haare. An diesem schwarzen Haar war keine Wurzel, also gibt es keine DNA, aber es ist Kopfhaar, es ist afrokaribisch. Und, also sehen Sie sich das an …« Er blickte auf. »Der Verdächtige trägt eine Perücke.«
»Eine Perücke?«
»Ja, sehen Sie. Die blonden Haare, die Krishnamurthi bei den Opfern gefunden hat?«
»Ja?«
»Jane Amedure sagt, die Haare sind gefärbt, asiatischen Ursprungs, keines hatte Wurzeln und beide Enden waren stumpf abgeschnitten. Nicht ausgerissen, nicht abgerissen. Ich nehme an, daß es sich hierbei um das Haar einer Perücke handelt.«
»Es waren lange Haare«, sagte Caffery. »Eine Frauenperücke.«
Essex zog die Augenbraue hoch. »Michael Caine.«
»Was?«
»Dressed to Kill. Haben Sie den Film nicht gesehen?«
»Paul …« Caffery seufzte.
»Schon gut, schon gut.« Er hob die Hand. »Ich vergesse immer wieder, daß
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