Der Vogelmann
seines Todes festlegte, spürten gleichzeitig zwei Männer, die sich fünf Wagenlängen hinter ihm befanden und nicht viel jünger waren als er, was nur Harteveld wußte. Die Sache lag außerhalb ihres Entscheidungsbereichs, aber Detective Constable Betts begriff, daß es ein Notfall war.
»LOS LOS LOS.«
Sie stürzten aus dem Wagen, scheuchten die städtischen Arbeiter weg, die eingeschüchtert vor den beiden Männern in Anzügen
und Sonnenbrillen zurückwichen, die mit angespannten Gesichtern und flatternden Krawatten hinter ihnen angerannt kamen. Sie legten die knapp hundert Meter zur Brücke in weniger als zwanzig Sekunden zurück, aber Harteveld war schneller als sie, obwohl er sich langsamer bewegte. Falls er sich ihrer Anwesenheit bewußt war, zeigte er dies nur durch ein leichtes Senken des Kopfes, als hätte er etwas gehört, das nur von geringem, flüchtigem Interesse war. Fast ohne aus dem Tritt zu geraten, überwand er das niedrige Brückengeländer, und ganz so, als wäre der nächste Schritt nicht anders als der vorhergehende, trat er ganz einfach in die blaue Luft hinaus.
Constable Smallbright brüllte. Die beiden Detectives liefen um die ersten Wagen in der Schlange herum und stürzten auf das Geländer zu. Smallbright lief ebenfalls hinzu und holte sie Sekunden später ein. Schnaufend standen die drei Männer da, während zwanzig Meter weiter unten Toby Hartevelds ruhiges Gesicht die Wasseroberfläche durchschnitt wie der Bauch eines gelben Fischs, sich drehte, zweimal ruckartig wie eine Marionette die Arme bewegte, auf die Vorderseite kippte und in dem grünen Wasser unterging.
34. KAPITEL
F ühlen Sie sich gut, Kollege?« fragte Maddox Caffery später im Büro.
»Nur müde.«
»Was Ihren Bruder betrifft…«
»Vielleicht wird der Fall jetzt wiederaufgenommen.«
»Ich kann Ihnen wegen dringender Familienangelegenheiten freigeben. Bis zu zwei Wochen, wenn Sie möchten.«
Caffery nickte. »Danke.«
»Wann möchten Sie…?«
»Gar nicht. Ich nehme nicht frei.«
»In Ordnung.« Er spielte mit einer Heftklammer. »Ich wünschte, Sie hätten mir davon erzählt. Wir hätten etwas unternehmen können.«
»Mir wäre es lieber, Sie würden zuerst etwas gegen Mel Diamond unternehmen.«
»Ich habe ihn verwarnt. Noch ein Fehler, und wir bringen ihn ohne vorherige Abmahnung vor einen Untersuchungsausschuß.«
»Er kommt praktisch ungeschoren davon, nicht wahr?«
»Mehr als eine mündliche Abmahnung ist im Moment nicht drin. Tut mir leid, aber mehr kann ich nicht tun.«
»Verdammt.« Caffery warf mit einem Knall seinen Stift hin. Maddox sah verblüfft auf.
»Was?«
»Ich weiß nicht, ich sehe bloß eines, Steve. Dieser Mann ist Scheiße. Er vermasselt einfach alles, und Sie …« Er hielt inne und holte Luft. »Und Sie halten bloß den Deckel drauf. Sie und
der Met-Yachtclub und das Frosbite-Rennen und eure alte Vetternwirtschaft …«
»Jetzt aber langsam, langsam.« Maddox hob die Hand. »Ich bin nicht blöd, Jack. Wir alle wissen, daß Diamond mit Schleimereien Karriere macht. Und was die Vetternwirtschaft betrifft? Die gibt es nicht. Vielleicht anderswo, aber nicht im AMIP.« Er schwieg einen Moment, und seine Stimme wurde eine Spur leiser. »Hören Sie, Jack …«
»Was?«
»Eigentlich bräuchte ich das nicht zu sagen, aber ich werde es dennoch tun. Sie sind ein besserer Polizist als er. Er wird stolpern. Früher oder später. Sie jedoch…« Er brach die Heftklammer entzwei und warf sie in den Abfallkorb. »Sie, Jack, werden das nicht. Sie …« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und sah seinen Detective Inspector mit einer gewissen Befriedigung im Ausdruck an. »Nun, machen Sie sich jedenfalls keine Sorgen, in Ordnung?«
»Sir.« Marilyn erschien in der Tür und leckte die Schokolade von einem Twix-Riegel ab. »Der Bote vom Forensischen Institut ist da.«
»Danke.« Maddox stand ermattet auf. »Das sollte unsere Entscheidung, ob wir Anklage erheben oder nicht, ein bißchen erleichtern.«
Er verließ den Raum und ließ Marilyn und Caffery zurück, die sich gegenseitig anstarrten.
»Ja? Was?«
»Ach nichts. Ich hoffe nur, Ihnen geht’s gut. Das ist alles. Wir machen uns Sorgen um Sie.«
Verlegen wegen seines Ausbruchs, sank Caffery auf seinem Stuhl zusammen. »Das ist, das ist freundlich von Ihnen.«
»Nicht freundlich. Menschlich.« Sie wandte sich zum Gehen, blieb in der Tür stehen und steckte sich einen schokoladenverschmierten Finger in den
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