Der Vogelmann
für Sie.«
»Ja. Nur herein.«
»Möchten Sie allein mit ihm sprechen?« fragte Maddox die Person im Gang. »Ich kann draußen bleiben, wenn Sie wollen.«
»Sie können das ruhig auch hören.« North, der Besitzer des Betonwerks, trat ein. Er trug ein weißes Polohemd unter seinem Anzug, polierte Schuhe, und eine schwere Goldkette hing über dem Hemdkragen. Er schwitzte schrecklich in der Hitze. Er setzte sich auf den Stuhl, den Maddox ihm anbot, und sah sich unsicher um.
»Ich komm’ mir wie das letzte Dreckschwein vor, daß ich hergekommen bin, wenn Sie den Ausdruck verzeihen.«
Jack und Maddox setzten sich an die einander gegenüberstehenden Schreibtische, stützten die Ellbogen auf und falteten die Hände. Maddox neigte den Kopf zur Seite. »Hört sich an, als hätten Sie was zu erzählen.«
»Ich glaube, das muß ich.« Er griff an die Bügelfalte seiner Hose, hob sie leicht an und beobachtete, wie sie sich wieder legte. »Es hat mir die letzten Tage keine Ruhe gelassen, und meine Frau, also, die hatte den richtigen Riecher und wollte mich nicht mehr ins Haus lassen, bis ich meine Pflicht als Bürger getan hab’ und hierhergekommen bin.«
»Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Dieser Bursche unten in Greenwich…«
»Woher wissen Sie von ihm?«
»Die Wahrheit?«
»Ja, wenn Ihnen danach ist.«
»Ich habe einen Kumpel in dieser Abteilung.«
Caffery und Maddox tauschten einen kurzen Blick aus.
»Es ist ein Schwarzer, nicht wahr?«
»Ist das wichtig?«
»Irgendwie schon.« North starrte auf seine Bügelfalte, und
Caffery spürte, daß er sich bemühte, nicht schwach zu werden. »Vielleicht hab’ ich jemand was, na ja, was Falsches gesagt.«
»Als Sie befragt wurden?«
»Nein. Später. Im Pub.« Sein Gesicht wurde schlaff. »Mel Diamond, Detective Diamond …«
Maddox seufzte. »Ja, was ist mit ihm?«
»Er ist ein alter Kumpel. Wir sind alte Charlton-Fans.« North biß sich auf die Lippen. »Verstehen Sie, meine Tochter wohnt in East Greenwich, in der Nähe des Betonwerks. Sie hat Probleme mit ihren Nachbarn. Nigerianern. Lärm, Gestank, es sind richtige Schweine, bei ihnen kommen Ratten und alles mögliche Ungeziefer durch die Löcher in den Wänden und durch die Bodendielen, bis zum Kinderzimmer rauf.« Er schwieg einen Moment. »Nicht, daß ich was gegen sie hätte, aber sie fahren in teuren Schlitten rum, kein Mensch weiß, wie sie sich das leisten können, weil keiner eine Arbeit hat, und meine Tochter kämpft ums Überleben und findet keinen Job, weil alle Stellen die Schwarzen kriegen, wie die Lage nun mal ist.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Mr. North?«
»Ich hab’ gelogen.«
»Gelogen?«
»Verstehen Sie denn meine Lage nicht? Sie hätten es genauso gemacht, wenn Ihre Tochter da leben würde, wo mein Mädchen wohnt. Da bin ich mir ganz sicher.«
»Als Sie sagten, Sie hätten gelogen …«
»Na schön, na schön, ich hab’ Mel Diamond gesagt, ich hätte einen Nigerianer in einem roten Sportwagen vor dem Betonwerk parken sehen. Ich hab’ mir gedacht, wenn ich den Typen ein bißchen Angst einjagen kann… Aber Sie sind losgezogen und haben einen anderen eingebuchtet.«
»Wir hatten eine Menge Zeugen, die die gleiche Beobachtung gemacht haben.«
North drehte den Ehering an seinem dicken Finger. »Also, von denen weiß ich nichts, aber was mich angeht, ich hab’ nie
jemand dort draußen sitzen sehen, ehrlich. Ich hab’ mich wie ein komplettes Arschloch benommen, das ist mir klar. Ich hoffe, Sie freuen sich.«
»Mr. North.« Maddox war aufgestanden und streckte die Hand aus. Das Telefon klingelte auf seinem Schreibtisch. »Wir schätzen Ihre Aufrichtigkeit. Wenn Sie uns jetzt entschuldigen wollen.«
Als North gegangen war, hob er ab.
Es war Betts, der Jack mitteilen wollte, daß Harteveld Crooms Hill verlassen hatte.
Im Innern des Cobra roch es nach Leder und ein wenig nach Teer, da die Klimaanlage die Außenluft anzog. Er hielt vor der Ampel, wo sich die Tooley Street zur London Bridge hinaufwindet. Es war ein strahlender Tag, die Sonne ließ die neuen Gebäude entlang der Themse aufblitzen, so daß sie aussahen, als wären sie aus Zucker gebaut.
Auf all dies starrte er mit leerem Blick aus seinem dicht verschlossenen Gebäude hinaus. Er hatte weder die fünf Sierra bemerkt noch die zwei Männer, die sich hinter ihren Sonnenbrillen versteckten. Er war sehr mager, seit Weihnachten mußte er zwölf Pfund abgenommen haben, aber trotz der Klimaanlage schwitzte er jetzt wie
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