Der Vollstrecker
passiert?«, fragte Mr Davis mit leicht schwankender Stimme. »Hat es in der Schule einen Unfall gegeben?«
Die Sorge in seinen Augen rührte Garcia. Er schenkte dem Mann ein freundliches Lächeln und sagte ihm, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Dann erläuterte er den Grund seines überraschenden Besuchs, ohne jedoch zu erwähnen, dass Amanda Reilly ermordet worden war.
»Mr Kennedy hat mir gesagt, dass Sie den Schlüssel zu den Lagerräumen haben und mir vielleicht sogar dabei helfen würden, die alten Fotos durchzusehen.«
»Ich helfe gern, wenn ich kann.« Der alte Mann nickte, bevor er mühsam von der Bank aufstand. Sein Blick schweifte über den Rosengarten, und er hob eine mit Leberflecken übersäte Hand zum GruÃ. »Machâs gut, Bella. Ãbermorgen sehen wir uns wieder.«
In dem groÃen Rosengarten im Roosevelt Memorial Park können Hinterbliebene die Asche ihrer Verstorbenen verstreuen. Garcia nickte respektvoll, als wolle auch er sich verabschieden.
Die Lagerräume befanden sich ganz am Ende eines langen, schwach beleuchteten Kellerflurs im Hauptgebäude der Gardena Senior High. Die Spinnweben und der muffige Geruch von altem Staub waren ein klares Anzeichen dafür, dass nicht viele Leute den Weg in diese Gefilde fanden.
Mr Davis schloss die Tür zum Hauptlagerraum auf und öffnete sie. »Die meisten alten Kisten mit Fotos sind hier drin«, sagte er und betätigte den Lichtschalter.
Sie standen in der Tür eines groÃen Raumes, der vollgestellt war mit alten Pulten und Stühlen, ausgemusterten Turngeräten und hunderten von Pappkartons, die sich an drei der vier Wänden auf hölzernen Regalen stapelten. Auf allem lag eine dicke Staubschicht, und hier drin war der muffige Geruch aus dem Flur noch fünfmal schlimmer. Die nackten Glühbirnen, die an dünnen Kabeln von der Decke hingen, waren trübe und gaben nur wenig Licht ab.
Garcia musste mehrmals husten und wedelte mit der Hand wie mit einem Fächer vor dem Gesicht herum, wodurch er allerdings nur noch mehr Staub aufwirbelte. »Du meine Güte«, seufzte er entmutigt, als sein Blick über die Reihen der Kartons glitt. »Wo sollen wir denn da bloà anfangen?«
Mr Davis lächelte ihm aufmunternd zu. »So schlimm, wie es aussieht, ist es gar nicht. Ich habe viele meiner freien Tage hier unten zugebracht und versucht, den ganzen alten Kram ein bisschen zu ordnen.«
Garcia hob eine Braue.
»MüÃiggang liegt mir nicht.« Zielstrebig bahnte er sich seinen Weg zwischen den zahlreichen kaputten alten Pulten hindurch. »So hat man wenigstens immer was zu tun.« Er zuckte mit den Schultern.
In dem feuchten, kalten Raum schmerzten Garcias Hände, und er rieb sich kurz über die Narben an seinen Handflächen.
»Nach welchem Jahrgang suchen wir denn?«, wollte Mr Davis wissen und ging auf die Kartons an der östlichen Seite des Raumes zu.
»Sie hat die Schule 1985 verlassen.«
Mr Davisâ Blick flog über die Kartons. »Das müsste dahinten ganz am Ende sein.« Er zeigte auf die gegenüberliegende Wand.
Es dauerte nicht lange, bis Garcia die vier groÃen Kisten mit der Aufschrift »1985« gefunden hatte. »Da wären wir.« Er hob sie aus dem Regal und stellte sie auf dem Boden ab. Aus seiner Hosentasche zog er ein Foto von Amanda Reilly, das Tania Riggs ihnen gegeben hatte. »Das ist das einzige Bild, das ich von Amanda habe. Es wurde vor einem Jahr aufgenommen. Wir können nur hoffen, dass sie sich im Laufe der Jahre nicht allzu sehr verändert hat.«
Der alte Mann nahm das Foto und betrachtete es eine Zeitlang. »Sie kommt mir tatsächlich bekannt vor«, sagte er und nickte.
In den vier Kisten mussten insgesamt mindestens zweitausend Fotos sein, mutmaÃte Garcia. Einzelporträts, Gruppenfotos, Fotos der einzelnen Jahrgänge und unzählige Schnappschüsse von Schülern während der Pause, beim Sport, beim Lernen und beim Mittagessen. Einige waren ganz eindeutig gestellt, auf anderen hatten die Fotografen die Schüler ganz spontan eingefangen, wie sie lachten, stritten oder weinten.
Garcia und Mr Davis begannen mit der Sichtung. Es war eine mühselige Angelegenheit, jedes einzelne Foto zu studieren und darauf jemanden zu identifizieren, den sie nie leibhaftig gesehen hatten. Hin und wieder hielt der Hausmeister in seiner Arbeit
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