Der Vollstrecker
den Fotostapel vor, den Hopkins ihm hingelegt hatte, und begann ihn durchzusehen. Er betrachtete jedes Bild nur flüchtig, seine Gedanken waren ganz woanders. Seine Finger mussten bloà etwas zu tun haben, während sein Verstand auf Hochtouren lief und versuchte, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Garcia hatte recht, bei James Reed passte wirklich alles. Der Tod seiner Mutter fünf Monate zuvor konnte tatsächlich der Auslöser gewesen sein, der seinen unterdrückten Hass freiÂgesetzt hatte. Aber warum stellte sich dann dieses Gefühl von Klarheit nicht ein, das Hunter immer hatte, wenn er wusste, dass er dem Richtigen auf der Spur war?
Plötzlich hielt Hunter inne. Sein Blick ruhte auf dem obersten Foto. Er hatte die Person darauf irgendwo schon mal gesehen, da war er sich ganz sicher. Als es ihm endlich einfiel, wäre ihm fast die Luft weggeblieben. »O mein Gott«, stieà er hervor, bevor er aufsprang und Garcia das Bild zeigte.
»Carlos, wer ist das?«, fragte er. »Warum hing das Bild hier nicht an der Pinnwand bei den anderen Verdächtigen?« Die Schärfe in seiner Stimme lieà Garcia aufhorchen.
»Was weià ich, ich habe sie nicht aufgehängt, aber hinten stehen ja die Namen drauf.«
Hunter drehte das Bild um. »Michael Madden?«
Garcia konsultierte die Liste, die Hopkins für sie zusammengestellt hatte. »Hier ist er. Er hing deswegen nicht an der Pinnwand, weil er schon vor langer Zeit gestorben ist.«
Hunter wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Foto zu. »Das glaube ich kaum.« Er zeigte Garcia erneut das Foto. »Ich glaube, der Mann erfreut sich bester Gesundheit. Und wenn ich richtig liege, wissen wir beide, wo er steckt.«
122
V erwirrt blickte Garcia auf das Foto in Hunters Hand. »Was redest du da? Wer ist Michael Madden?«
»Sieh dir die Augen an, Carlos. Man kann so ziemlich alles am Gesicht eines Menschen verändern, aber die Augen bleiben immer die gleichen. Sie sind wie Fingerabdrücke.«
Garcia gab sich alle Mühe â ohne Erfolg. »Tut mir leid. Ich habe immer noch keine Ahnung, wer der Typ sein soll.«
Hunter sah sich ein weiteres Mal das Foto an. Bildete er es sich vielleicht nur ein? Hierbei hatte er nur einen einzigen Schuss frei, also brauchte er hundertprozentige Gewissheit. »Komm, wir gehen.« Damit marschierte er aus dem Büro.
»Und wohin diesmal?«, fragte Garcia schicksalsergeben und rannte Hunter hinterher, der in riesigen Sätzen die Treppe hinaufeilte.
»Ins technische Labor. Ich muss ganz sicher sein. Wir müssen mit Patricia Phelps reden.«
Garcia runzelte die Stirn. »Die Zeichnerin?«
»Genau die.«
Das technische Labor des LAPD ist verantwortlich für das Sammeln, Vergleichen und die Auswertung physischer Beweise, die an Tatorten gefunden oder an Tätern und Opfern sichergestellt werden. Es ist im obersten Stockwerk des Parker Center untergebracht. Die Zeichner, die die Phantombilder anfertigen, sind an das technische Labor angegliedert.
Patricia Phelps war die dienstälteste und erfahrenste Zeichnerin im Team. Sie wollte sich gerade nach mehreren Ãberstunden in den wohlverdienten Feierabend verabschieden, als Hunter und Garcia in ihr Büro geplatzt kamen.
»Pat, wir brauchen deine Hilfe!« Hunter holte japsend Luft.
Die Frau mit den kurzen braunen Haaren und der kurvenreichen Figur sah Hunter über den Rand ihrer Designerbrille hinweg an. »Seid ihr bis hier oben gerannt , Robert?«, fragte sie mit ihrer rauchigen Stimme, die die meisten Männer dahinschmelzen lieÃ. »Wenn ja, dann heiÃt das wohl, dass es nicht bis morgen warten kann.«
Hunter schnappte nach Luft, gab aber keine Antwort.
»Dachte ichâs mir. Was kann ich für euch tun?« Sie knöpfte ihren Mantel wieder auf.
Hunter reichte Patricia das Foto. »Du musst für mich das Bild hier verändern.«
Sie betrachtete es eine Sekunde lange, bevor sie mit den Schultern zuckte. »Okay. Warte, ich scanne es rasch ein.« Sie ging zu ihrem Schreibtisch, und eine Minute später erschien das Bild auf ihrem Monitor.
»Ist eure Software auf dem neuesten Stand?«, wollte Hunter wissen.
Patricia lachte stolz. »Auf dem allerneuesten. Sogar in den Animationsstudios von Hollywood wirst du nichts Besseres finden. Ich kann ihn in Brad Pitt verwandeln, wenn du möchtest.«
Hunter schmunzelte und winkte Garcia heran, der noch
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