Der Vollstrecker
Wenigkeit hat es bis jetzt niemand, der durch die Tür da gekommen ist, geschafft, sein Abendessen länger als vierzig Sekunden lang bei sich zu behalten«, klärte Brindle ihn auf.
»Ich habe nicht zu Abend gegessen.«
»Aber er schon, was?« Mit einem Nicken deutete Brindle auf Garcia, der soeben hereingekommen war. Seine Maske saà wieder ordnungsgemäà über Mund und Nase, aber er war kreidebleich im Gesicht.
»Was zum Teufel ist hier passiert, Mike«, fragte Hunter, sobald Garcia zu ihnen gestoÃen war.
»Schmerzen. Unvorstellbare Schmerzen«, sagte Brindle bloà und drehte sich zu dem gigantischen Kamin aus Flussgestein an der südlichen Zimmerseite um. Gut dreiÃig Zentimeter davor saÃ, an einen Metallstuhl mit Armstützen und hoher Lehne gefesselt, die nackte Leiche einer Frau. Der GroÃteil der Haut an der Vorderseite des Körpers, an Armen und Beinen hatte Blasen geworfen und war aufgeplatzt, so dass darunter verbranntes Fleisch zum Vorschein kam. Einige Körperstellen waren komplett verkohlt, dort war vom Gewebe nichts übrig geblieben bis auf eine schwarze schuppige Kruste.
Aber alle Augen ruhten auf ihrem Gesicht.
Garcia spürte, wie sich ihm erneut der Magen umdrehte, als sie näher traten.
Die Haut in ihrem Gesicht war so schwer verbrannt, dass sie herabgelaufen und zu Klumpen geschmolzen zu sein schien wie heiÃes Wachs. Das freiliegende Muskelgewebe darunter war knittrig verhärtet, als wäre ihr Gesicht frittiert worden. Die Augäpfel waren durch die starke Hitzeeinwirkung in ihren Höhlen geplatzt.
»Soweit ich bisher gesehen habe«, sagte Brindle, wobei er vorsichtig die kleine Lache aus Blut, Urin und Kot umrundete, die den Stuhl umgab, »wurde sie am Samstagabend hierhergebracht, an diesen Stuhl gefesselt und dann vor einem lodernden Feuer sitzen gelassen. Sie ist schon seit geraumer Zeit tot, aber das Feuer wurde nie ausgeschaltet.« Er zeigte auf den Kamin, der immer noch Hitze abstrahlte.
Hunters Blick schwenkte rasch von der Toten zu Brindle. »Der Mörder hat sie ⦠geröstet?«
Brindle presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und senkte den Kopf. »In Anbetracht der Nähe zum Feuer kann man wohl eher sagen, er hat sie bei lebendigem Leibe gegart.«
»Das ist ja widerlich«, stieà Garcia hervor und wandte sich ab.
»Es ist ein Gasfeuer«, fuhr Brindle fort. »Das heiÃt, die Intensität kann stufenlos kontrolliert werden. Und es brennt immer weiter. Es erlischt niemals, es sei denn, jemand kommt und schaltet es aus.«
»Brannte es noch, als die Leiche gefunden wurde?«, fragte Hunter und ging vor dem Kamin in die Knie.
»Ja.« Brindle nickte. »Aber auf sehr niedriger Stufe. Gerade genug, damit sie â¦Â«, er biss sich auf die Lippe, »⦠warmgehalten wird. Aber seht euch an, wie groà der Kamin ist, Robert. Auf höchster Stufe wäre er so heià wie ein Scheiterhaufen.«
Hunter rieb sich die Augen, holte tief Luft und zwang sich, einen Moment lang die Leiche zu betrachten. Garcia hielt sich ein paar Schritte hinter ihm. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und das Gesicht verzogen, als hätte er gerade in etwas Saures gebissen.
Der Geruch von verbranntem Menschenfleisch ist unverwechselbar â ganz anders als der von Tieren, was in erster Linie mit unserer Ernährung zusammenhängt. Menschen sind die einzigen Lebewesen, die so unterschiedliche Dinge wie Fleisch, Gemüse, SüÃigkeiten und chemisch modifizierte Produkte als Nahrung zu sich nehmen. Die Kombination ihrer spezifischen Gerüche wird vom menschlichen Gewebe aufgenommen und beim Verbrennen zusammen mit diversen Toxinen wieder freigesetzt.
Garcia spürte, wie ihm beiÃend die Galle in die Kehle stieg.
»Wir haben sie losgeschnitten«, sagte Brindle, dem aufgefallen war, dass Hunter mit kritischer Miene die aufgetrennten Fesseln beäugte. »Und das ist auch der Grund, weshalb ihr hier seid.«
Hunter zog erwartungsvoll die Brauen zusammen.
»Wir waren schon eine ganze Weile hier zugange. Die Leiche und der Tatort waren fotografiert, und die zwei Detectives, die den Fall übernehmen sollten, hatten fürs Erste genug gesehen. Wir wollten die Leiche gerade für den Transport in die Rechtsmedizin fertig machen.«
Brindle bedeutete einem der Kriminaltechniker, ihm zu helfen. Unter allergröÃter Vorsicht
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