Der Vollstrecker
Bombe darin. Kopfschmerztabletten hatten bei ihm nie wirklich geholfen, also verwarf er die Idee sofort wieder, kaum dass sie sich in seinem Kopf geformt hatte. Aber der Gedanke an Pillen erinnerte ihn an etwas anderes, und plötzlich begann sein Puls zu rasen â Monica, das Mädchen, das am Abend zu ihnen aufs Revier gekommen war.
Im Laufe der Jahre hatte er viele Verrückte und Scharlatane erlebt. Jeder Einzelne von ihnen hatte beteuert, er könne die Polizei zu einer bislang unentdeckten Leiche oder einem schwer zu fassenden Killer führen, und natürlich hatte jeder Einzelne von ihnen gelogen. Aber diesmal, dachte Hunter, war es anders.
Monica war nicht so wie die Heerscharen angeblich übersinnlich Begabter, die ihm bis jetzt begegnet waren. Er hatte etwas in ihren Augen gesehen, eine Ãberzeugung. Ihr ging es nicht um Aufmerksamkeit oder Ruhm. Im Gegenteil: Sie hatte verängstigt gewirkt, als wäre ein Gespräch mit der Polizei für sie ein Risiko, als könnte dieser Kontakt sie mit etwas oder jemandem in Berührung bringen, vor dem sie auf der Flucht war.
Hunter atmete tief ein und fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare. Ihre Worte hallten noch in ihm nach. Helen ⦠es war nicht Ihre Schuld. »Woher wusste sie davon?«, fragte er laut. »Niemand weià davon.«
Er spürte, wie die uralte zerstörerische Schuld in ihm hochkroch, und er kippte den restlichen Scotch in einem groÃen Schluck hinunter. Der Alkohol brannte ihm in der Kehle, und genau in diesem Moment erinnerte er sich an das, was sie ganz zuletzt gesagt hatte.
Er wusste von dem Feuer. Er hat gewusst, wovor sie Angst hat.
46
H unter stand auf dem leeren Parkplatz des Rechtsmedizinischen Instituts an seinen Wagen gelehnt, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben. Es war ein klarer, aber für südkalifornische Verhältnisse kalter Tag. Ein Becher geschmackfreier Kaffee, den er sich an einer Tankstelle geholt hatte, stand auf der Motorhaube seines alten Buick. Es war zehn nach sieben. Eine halbe Stunde zuvor hatte Dr. Winston ihn angerufen und gesagt, er habe die Obduktion an der neuen Leiche abgeschlossen.
Hunter hatte noch keine fünf Minuten gewartet, als Garcia neben ihm hielt und aus seinem Honda Civic stieg. Sofort fielen Hunter die roten Augen und die bleiche Haut seines Partners auf.
»Dann war ich wohl nicht der Einzige, der letzte Nacht nicht geschlafen hat«, meinte er und langte nach seinem Kaffeebecher.
Garcia schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe Anna gestern Abend einen Riesenschrecken eingejagt.«
»Wie meinst du das?« Hunter sah ihn an.
»Ich habe sie angerufen, um ihr zu sagen, dass es spät wird, aber sie hat auf mich gewartet, damit wir zusammen zu Abend essen konnten.«
»Ist doch nett von ihr.« Hunter nippte an seinem Kaffee und verzog angewidert das Gesicht.
»Als ich nach Hause kam, war Anna in der Küche.« Garcia knöpfte sich die Jacke zu. »Als sie gehört hat, wie ich zur Tür reinkomme, hat sie die Steaks in die Pfanne geworfen. Das Brutzeln und dann der Geruch von gebratenem Fleisch â das hat mir den Rest gegeben. Ich habe ihr direkt vor die FüÃe gekotzt, auf den KüchenfuÃboden.«
»Oje.« Sie gingen nebeneinanderher auf das Gebäude zu.
»Natürlich habe ich ihr nichts von dem Fall erzählt â oder weshalb es mir plötzlich hochkommt, sobald ich ein gebratenes Steak sehe.« Er hielt inne und strich sich die langen Haare aus den Augen. »Ich komme aus Brasilien, Robert. Ich bin praktisch schon als Baby mit Steak gefüttert worden. Steak ist mein Lieblingsessen.«
»Was hast du ihr gesagt?«
Garcia lachte freudlos. »Ich habe mir irgendeinen Schwachsinn aus den Fingern gesogen, von wegen einem Magen-Darm-Virus, der gerade auf dem Dezernat die Runde macht.«
»Das hat sie dir abgekauft?« Hunter hob ungläubig die Brauen.
»Natürlich nicht, was denkst du denn? Anna ist ja nicht dumm. Aber sie hat so getan.«
Hunter legte Garcia mitfühlend die Hand auf die Schulter.
»Und das ist noch nicht alles. Ich musste unbedingt duschen gehen, dieser scheiÃverdammte Gestank war überall, und ich war mir ganz sicher, dass Anna ihn auch riecht. Also habe ich das Abendessen ausfallen lassen und mich stattdessen eine Stunde lang im Badezimmer eingeschlossen. Meine Haut ist ganz wund vom vielen Schrubben, aber der
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