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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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zu halten, bog man die Wahrheit über die Brut schon mal zurecht, oder? Und, zweitens, schlimmer noch:Angenommen, die Kindergärtnerin sprach halbwegs die Wahrheit, und Otto war wirklich ein stinknormales Musterkind - warum war er dann so unglaublich gemein zu seinem Vater?

    Martin wusste nicht, was ihm lieber war: ein verhaltensgestörtes Kind, das alle nervte, oder ein normales Kind, das seinen Vater hasste? Martin schaltete das Radio an. Eine CD lief an: »Jim Knopf und die wilde 13«. Prinzessin LiSi sang: »Mädchen können alles; Mädchen sind unheimlich stark.« Jungs auch, dachte Martin. Aber das durfte man nicht mal denken.

    Maiks Handy vibrierte auf der Treppe. Eine SMS von Ulrike: »Bitte pünktlich zu Hause sein. Sind heute Abend mit Seilers verabredet. Kuss«. Maik antwortete »Ja«.
    Oben im Dachgeschoss brauchte er genau zwei Minuten, um die Lage zu peilen. Die Frau, die ihm im limettengrünen Bademantel die Tür geöffnet hatte, roch nach Lust wie ein Teller frischer Bratheringe. Sie hatte ihm einen Kaffee gemacht, ihn dann auf die eindrucksvolle Terrasse geführt. Grandioser Blick über die Stadt. Die Frau mochte jede Menge Probleme haben, aber Geldmangel gehörte sicher nicht dazu. Sie hatte Maik von einer Freundin empfohlen bekommen.
    »Sie sind meine Rettung«, sagte sie zur Begrüßung. Maik hatte nur gelächelt. Er wusste um die Wirkung von engen weißen T-Shirts unter Karohemden, von Stiefeln und strammen Männerhintern in Jeans.
    Klassischer Fall: Viel Geld, wenig Geschmack, keine Zeit, aber in zwei Stunden sollte alles fertig sein. Die Frau hatte abends offenbar einen sehr wichtigen Gast zum Essen eingeladen. Bis dahin sollte die leicht verwilderte Dachterrasse in ein mediterranes Kunstwerk verwandelt sein.
    Maik schwieg und tat, als ob er rechnete. Dabei hatte er eigentlich schon alles durchkalkuliert: Drei, vier Büsche
in Töpfen, Schilf am Meter, ein paar versteckt installierte Scheinwerfer, die üblichen Stehimwegs Marke Schwedisches Landhaus oder Long Island, und schwupp, war ein Ensemble arrangiert, das für einen rotweinseligen Chef im Halbdunkel allemal genügen müsste. Zwei Leute, fünf Stunden für An- und Abtransport, drei Stunden Maik - das war schon mal der erste Tausender. Aber ein paar Euro für Schleppen und Arrangieren von Öko-Deko waren Maik nicht genug: Hier schlummerte eine große und langfristige Aufgabe, in mehrerlei Hinsicht.
    »Was schlagen Sie vor?«, fragte die Frau. Sie saß auf dem Liegestuhl und versuchte nicht mal, züchtig auszusehen. Maik blickte sich um. Von den Häusern ringsum waren sie nicht zu sehen. Er starrte unverhohlen auf ihre Beine und schwieg noch ein wenig. Eigentlich war schon alles klar. Sie würde sich nicht wehren, wenn er sich jetzt einfach über sie hermachte. Spitz wie sie war, würde sie seinen Vorschlägen allerdings viel eher zustimmen, solange sie voller Ungeduld brannte. Also erst mal das Geschäftliche.
    Maik mühte sich um einen sachlichen Ton, als er ihr erklärte, dass man es hier mit zwei Vorgängen zu tun habe: erstens der überaus kurzfristigen Deko für heute Abend und zweitens einem langfristig durchdachten Konzept zur ganzheitlichen und nachhaltigen Gestaltung des Ökosystems Dachterrasse, das einer intensiven und kontinuierlichen Betreuung bedürfe.
    Bei dem Wort »Betreuung« warf Maik einen geraden Blick auf die Frau. Sie nickte nur und sagte: »Ich würde die Sache gern abkürzen: Sie bekommen den Auftrag für heute Abend, wenn Sie mir versprechen, dass es auf keinen Fall nach Toscana aussieht, nicht mal nach Provence. Und für die Neugestaltung machen Sie mir einen Kostenvorschlag, der auf ein Jahr ausgelegt ist.« Sie war aufgestanden, durch
die Glastür ins Wohnzimmer gegangen und drehte sich nun um, als warte sie auf ihn.
    »Wird erledigt«, sagte Maik und folgte ihr.

    Lars hätte seinen Problemkunden eigentlich persönlich besuchen sollen. Aber er hatte nur angerufen. Mussten die Penner im Büro ja nicht wissen. Die Vertragsverlängerung war so gut wie beschlossen. Puuh. Damit war auch sein Hintern vorerst gerettet.
    Auf der Fahrt ins Büro kriegte Lars diese Frau nicht aus dem Kopf. Eigentlich etwas zu alt und viel zu seriös für ihn. Er bevorzugte die unterkomplexe Party-Maus. Vielleicht hatte sie sogar Kinder. Er hatte eine Affäre mit so einer Mutter bis vor vier Wochen. Ausgehungert hatte sie sich auf ihn gestürzt, es war der helle Wahnsinn. Sie wollte offenbar mehrere Jahre in einer Woche aufholen und

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