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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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lassen.
    Ulrikes krankhafte Eifersucht stand in einem erbärmlichen Kontrast zu ihrem sexuellen Desinteresse. Kein Vorwand war ihr blöd genug gewesen. Vom Knöchelschmerz bis zum Tinnitus, von allgemeiner Traurigkeit bis zum Hüftknarzen reichte die Palette der schlechten Ausreden. Bisweilen hatte Maik das Gefühl, mit einem Eishockey-Profi im Bett zu liegen, der nach dreiundzwanzig Dienstjahren keinen heilen Knochen mehr im Leib trug. Aber es war seine Frau Ulrike.
    Dass sie ausgerechnet heute Morgen weit überdurchschnittlichen Bedarf gezeigt hatte, musste mit dem Überfall zu tun haben, der keiner war. Die Angst um ihn war ausnahmsweise mal stärker gewesen als die Gewichtsprobleme, die sie bei allem lähmten, was mit Leben zu tun hatte. Vielleicht hatte sie sich heute Nacht vorgestellt, wie das Leben ohne ihn sein würde. Und war zu keinem besseren Ergebnis als dem Status quo gekommen.
    Kaum anzunehmen, dass sie nun wieder regelmäßiger bereitläge. Maik gab sich keinen Illusionen hin. Er hatte sich mit der heimischen Sexlosigkeit arrangiert, die ja offenbar ziemlich verbreitet war, wie jede Woche eine neue Statistik belegte. Insofern war ihre Ehe nicht untypisch, sondern im Gegenteil schrecklich normal. Warum nur war der Sex
so kompliziert geworden? Bei Tieren war es die einfachste Sache der Welt.
    Maik verstand nicht ganz, warum so viele Menschen offenbar freiwillig auf Sex verzichteten. Welche Welt war denn die bessere? Die, in der viel gefickt wurde? Oder die andere? Maik brauchte Sex wie Essen, Trinken, Atmen.
    »Warum nur war der Sex so kompliziert geworden? Bei Tieren war es die einfachste Sache der Welt.«
    Er wollte auch keine Problemgespräche darüber führen; es galt die Regel: Sobald man theoretisierte, war der Zauber dahin. Maik brauchte keinen Kerzenschein, keinen Champagner, keine ausgefallenen Techniken, sondern einfach die gemeinsame Bereitschaft, zusammen Spaß zu haben, auch mal nur zwei Minuten, aber am besten drei Mal am Tag. Manchmal sehnte er sich nach der erotischen Schlichtheit des Ostens. Einfacher gerader Sex wie in der Legende von Paul und Paula - das war doch das Paradies.

    Wie jeden Morgen setzte Lars im Treppenhaus die Sonnenbrille auf und hoffte, der knackärschigen Journalistin aus dem zweiten Stock zu begegnen, der er seit Ewigkeiten den Ausblick von seiner Dachgeschosswohnung präsentieren wollte. Lars widerstand der Versuchung, sein Handy einzuschalten. Jahrelang war der dreiminütliche Blick aufs Display ein Teil seines Lebens gewesen. Inzwischen nervte, stresste, langweilte ihn das verdammte kleine Ding.
Handy-Aktivieren war wie Rauchen: Es gab keinen einzigen guten Grund dafür, dennoch musste man es einfach tun. Lars wusste genau: Wenn er jetzt einschalten würde, wären mindestens drei SMS im Postfach und zwei Anrufe. Viermal von irgendwelchen Weibern, vielleicht die von heute Nacht, deren Namen ihm gerade nicht einfiel. Und ein Anruf vom Büro, das nach ihm fahndete.
    Lars kaufte einen schwarzen Kaffee und ein San Pellegrino in der italienischen Bäckerei und suchte nach seinem Cabrio. Ein Vogel hatte auf sein Verdeck gekackt. Unglaublich, welche Mengen Scheiße in einem so kleinen Tier untergebracht sind. Eigentlich wollte er das San Pellegrino trinken. Nun wusch er damit Taubenkacke vom Dach.
    Lars ließ sich in den Ledersitz fallen und zog die Tür ins Schloss. Klickte auch nicht mehr so geschmeidig. Radio an. Ich und ich . Machte ihn depressiv. Suchlauf. Metallica . Furchtbar. Suchlauf. Revolverhelden . Was die alle an dem Quatsch fanden. Radio aus.
    Stille. Aufstoßen. Brennen. Das Büro kotzte ihn an. Das Personalgespräch heute Mittag kotzte ihn an. Der Kunde, den er heute umschleimen musste, kotzte ihn an. Die Betriebsfeier heute Nachmittag kotzte ihn an. Das Fitnessstudio kotzte ihn an. Das nächtliche Gepose kotzte ihn an. Frauen kotzten ihn sowieso an. Seine dröhnende Birne kotzte ihn an. Und dass ihn alles ankotzte, kotzte ihn erst recht an. Lars schaltete das Handy an. Eine SMS von Tanja, bestimmt das übliche Dankesschreiben. Eine SMS von Sandy: »Würde Dich gern mal wiedersehen;).« Au weia. Wer Zwinkergesichter smste, der trug auch Leggings oder MCM -Handtaschen. Wer zum Teufel war Sandy überhaupt? Zwei vergebliche Anrufe aus dem Büro: Wahrscheinlich hatten sie ihn längst gefeuert. Auch egal. Der verdammte Bonus war sowieso zum Teufel. Wie er den Flug nach Thailand
bezahlen sollte, war ihm schleierhaft. Der Dispo war schon lange am Anschlag.
    Lars

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