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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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fuhr das volle Programm: Fesseln, Augenbinde, Dildos in allen Farben des Regenbogens.
    Er kam sich vor wie ein Bonobo. Drei Tage länger, und er hätte eine Infusion gebraucht. Beim letzten Mal war er bei ihr zu Hause gewesen. Der Mann war auf Dienstreise, sie hatte keinen Babysitter gefunden; also verstieß er gegen die goldene Regel und besuchte eine verheiratete Frau daheim.
    Es ging natürlich nicht gut aus. Nachts vor der Toilette war er im Dunkeln über ein Feuerwehrauto ihres Jüngsten gestolpert und lang hingeschlagen. Schwere Verstauchung. Lars wurde eine Woche krankgeschrieben, das war die gute Nachricht. Danach hatte er sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet. Mütter lösten bei ihm generell Depressionen aus. Er war fast einundvierzig. Keine Frau, kein Kind, und
das war richtig. Diese ganzen Ehe-Schluffis waren doch so gut wie tot: Biertitten, Impotenz und den Kadaver dann auf den Golfplatz geschleppt.
    Im Büro machten die meisten schon Mittag, einige hatten die belegte Pappe vom Sandwich-Mann gekauft und mampften vor den Bildschirmen. Alle grüßten ihn, die meisten halbwegs nett. Angelika aus der Zentrale winkte, Jasmin, seine Assistentin, lächelte süffisant, eine ganz junge Frau neben ihr musterte ihn ziemlich unverschämt. Ob Jasmin …? Egal.
    Ihm fiel wieder auf, wie jung die alle waren. Selbst sein Chef war gerade mal fünfunddreißig. Die machten Druck, diese jungen Hunde, und gut waren die, richtig gut.
    Jasmin kam auf ihn zu. »Na«, sagte sie spitz, »haben wir gestern mal wieder ein bisschen doll gefeiert?« Das »mal wieder« klang perfide. Er blieb stumm. Von Feiern konnte gar keine Rede sein. Es war ein ganz normaler Beuteabend. Jasmin guckte ihn an, deutlich zu spöttisch. »Unsere neue Praktikantin da vorne«, sagte sie, »hat mir eben von so einem peinlichen alten Typen erzählt, der letzte Nacht in ihrem Lieblingsclub völlig drüber war und immer versucht hat, ihre Freundin zu knutschen, obwohl die gar nicht wollte. Kannst dir ja vielleicht vorstellen, warum die jetzt so guckt.«
    Lars erinnerte sich schemenhaft an die Stunden vor Tanja. Die meisten Abende waren einfach zu lang, als dass man sie sich komplett merken konnte. Und Berlin war ein gottverdammtes Kaff. Von wegen Anonymität der Großstadt. Jeder kannte jeden in der Klubszene. Der Tag würde kommen, an dem er alle halbwegs willigen Frauen gehabt hatte. Man müsste sie markieren, dachte sich Lars, wie Kühe, mit solchen gelben Ohrmarken, in denen ein Chip implantiert ist, mit allen wichtigen Informationen inklusive Krankheiten.
Und dann scannen, ob sich nochmaliges Aufsatteln überhaupt lohnt.
    Jasmin provozierte sein stilles Grinsen offenbar. Im Gehen fragte sie ihn: »Weißt du eigentlich, was die jungen Leute sagen, wenn sich peinliche Party-Rentner wie du hackebreit an der Bar entlangbaggern?« Lars wusste, dass sie ihm wehtun wollte und tat so, als habe er die Frage nicht verstanden. Doch Jasmin gab die Antwort ungebeten: »Die sagen: Jetzt kommen die Opas schon zum Sterben hierher.« Lars lachte, etwas zu laut.

    Attila hatte sich an den Schreibtisch gesetzt. Er musste noch den Bericht fertig stellen über diese drittklassige Vertriebsbude für BuchhaltungsSoftware. Wesley legte großen Wert darauf, dass die Führungsleute mindestens zweimal im Jahr selbst berieten, und zwar nicht die großen, schönen, prächtigen Unternehmen, sondern den Mittelstand. Attila hatte sich vergangene Woche einen halben Tag neben so einen Vertriebs-Routinier gesetzt und versucht zu ermitteln, nach welchem System dieser Mann arbeitete. Er hatte keines gefunden. Der Knabe war seit acht Jahren dabei, roch stark nach Aftershave und fuhr ein viel zu protziges Cabrio angesichts seines kontinuierlich schrumpfenden Kundenstamms.
    Pausenlos quäkte sein Handy, weil er wieder eine SMS bekommen hatte. Attila hätte wetten können, dass keine einzige davon dienstlich gewesen war. Nichts war doch wohl peinlicher als ein in die Jahre gekommener Single, der auf der verzweifelten Suche nach ein bisschen verdrogtem Gefummel immer noch um die Häuser zog wie vor zwanzig Jahren - wie entwürdigend.

    Und dann kam ihm dieser Kerl auch noch auf die Kumpeltour. Attila war Respekt gewohnt, besser noch vorauseilende Unterwürfigkeit. Das »Du« hätte er am liebsten sogar Camille verwehrt. Attila hätte diesen Pflaumenaugust am liebsten sofort vor die Tür gesetzt. Aber der Knabe war hoch angesehen bei seinem Chef, sicher weil er jedes Problem einfach

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