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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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verspürte Appetit auf Spiegeleier mit Speck. Er fuhr die paar Meter zum kleinen Platz mit den Cafés und parkte unter dem Halteverbotsschild. Offensive Regelverstöße fand er cool. Draußen in der Sonne saß ein wirklich scharfer Ofen: High Heels, lange stramme Beine, eine weiße Bluse, die zwar züchtig aussah, aber den Blick geradezu zwischen ihre Brüste zwang, von denen er annahm, dass sie tatsächlich echt waren, die schwarzen Haare streng nach hinten, sehr volle, sehr rote Lippen - ideal. Lars wurde heiß.
    Sie guckte heimlich zu ihm herüber, zwei, drei Mal, das war kein Zufall. Sie rauchte. Frauen, die rauchten und guckten und schon morgens schick zurechtgemacht waren, die wollten eigentlich so schnell wie möglich mal wieder richtig durchgenagelt werden, das wusste Lars aus Erfahrung. Er hatte zwar überhaupt keine Lust auf Sex. Aber er wollte wissen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag.
    Er lächelte sie an. Sie lächelte zurück, ziemlich verhalten allerdings. Gutes Zeichen: Sie will, aber nicht um jeden Preis. Dieser Mund machte ihn verrückt. Lars kritzelte seine Handynummer auf einen Zettel. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde er ihr den Zettel zustecken, am besten auf dem Weg zum Klo. Mit dieser Frau könnte er sich vorstellen, alt zu werden.
    »Frauen, die rauchten und guckten und schon morgens schick zurechtgemacht waren, die wollten eigentlich so schnell wie möglich mal wieder richtig durchgenagelt werden.«

    Lars stand auf und überlegte, wie er ihr den Zettel am besten zukommen lassen sollte. Er lachte sie im Vorbeigehen noch mal an, volles Rohr. Doch sie blickte zur Seite. Keine Chance für unpeinliche Zettelübergabe. Die alte Bitch. Sie wusste genau, wie sie ihn noch heißer machte. Solche Frauen waren wie Zigaretten. Nach fünf Minuten waren sie runtergeraucht, am Ende blieb ein komischer Geschmack im Mund und Geruch an den Fingern. Aber man konnte nicht ohne, sondern brauchte immer mehr.
    Lars schüttete sich Wasser ins Gesicht. Er sah verdammt gut aus, trotz allem. Er würde jetzt sofort diese Frau ansprechen.
    Als er zurückkehrte, war ihr Tisch leer. Egal. Wahrscheinlich hatte sie einen Termin. Aber sie wollte auch; das wusste Lars. Das würde doch noch sein Tag werden. Er spürte es.

11 UHR

    Eigentlich wollte Jochen duschen, aber eine alte Spex hatte ihn davon abgehalten. Er liebte es, in historischen Musikzeitschriften zu blättern. Früher war nicht alles schlecht, nur weil es früher war.

    Martin ließ sich ins Auto fallen. Er hasste diesen lieferwagengroßen Kombi. Aber ein guter Vater fuhr nun mal so ein Auto. Sonst war man gesellschaftlich erledigt in den neubürgerlichen Kreisen einer Stadt, die sich supercool und lässig gab und doch so neidisch, ängstlich und verbissen auf die Kinderwagenmarke des Nachbarn schaute wie ein Schwabe.
    Hier dachte jeder jede Minute nur über die Wirkung all dessen nach, was er tat, sagte, trug oder glaubte. Was sollen denn die Nachbarn denken? Dieser alte eklige Elternspruch
galt nirgendwo radikaler als in sogenannten Szene-Gegenden. Style-Faschismus.
    Martin war erleichtert. Norbert brabbelte im Babysitz auf der Rückbank. Otto war bereits im Kindergarten abgeliefert. Das Babyschwimmen mit Norbert würde ein paar Momente der Entspannung bringen, falls das knappe Dutzend Stress-Mütter nicht wieder in grundloser, dafür aber permanenter Panik eine Stunde lang durchdrehte.
    Die Team-Assistentin hatte ihm verraten, dass das Brainstorming wahrscheinlich um siebzehn Uhr starten würde, sie würde sich nochmal melden. Das passte gerade noch in seine Abendplanung.
    Das allmonatliche Problemgespräch mit Ottos Kindergärtnerin war ebenfalls zufriedenstellend verlaufen, kurz vor Kuschelsex. Otto sei sehr kreativ, sehr rücksichtsvoll, sehr sozial, sehr konzentriert, kurz: ein wunderbarer Junge, die Zierde von »Marie-Albert«, benannt nach Marie Curie und Albert Einstein, der Kita für rollenübergreifend erzogene Frühleister. Sprachlos hatte Martin zugehört. Er war eher auf ein besorgtes Gewispere eingestellt gewesen als auf ein richtiges Gespräch. Zwei Gedanken waren Martin durch den Kopf geschossen: Was war, wenn die Kindergärtnerin alles erstunken und erlogen hatte? Schließlich schmückte mit Dorothea von Campen eine halbwegs bekannte TV-Moderatorin den Kindergarten.
    Wahrscheinlich terrorisierte Otto die Kita wie der junge Mussolini, aber die Leitung hatte verfügt, dieses Thema einfach zu ignorieren. Um Promi-Kundschaft bei Laune

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