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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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über seine Rolle. Was würde Platon dazu sagen? Spätestens seit seiner Elternzeit wusste Martin allerdings, was ihm die Agentur bedeutete. Mochten ihn seine Kollegen auch für einen Sonderling halten, so brachten sie ihm doch überdurchschnittlich viel Respekt entgegen. Die Brille hatte ihre Berechtigung, durch und durch.
    Es hatte Martin unendlich wehgetan, dass sich an der Universität damals kein Job gefunden hatte, der ihn ernährt hätte. Als Knecht an der Uni hätte er jedenfalls nicht annähernd so viel Anerkennung bekommen wie jetzt im Reklame-Business. Und die Pläne für sein Opus Magnum hatte er noch lange nicht aufgegeben, das Buch der Bücher, über das die ganze Republik sprechen sollte.
    Was fehlte, war die Hochzeit mit Dorothea. Martin hätte gern geheiratet, weil er sich nicht ganz sicher war, ob diese Frau ihn wirklich bis ans Ende ihrer Tage lieben würde. Sind Frauen, die sich alles kaufen können, zu dauerhaften Gefühlen überhaupt in der Lage? Oder war er nicht eher so was wie Lebensphasen-Dekor? Hielt Dorothea ihn nur
als Samenspender, der der steinreichen Sippe ein bisschen Grips in die Ahnengalerie pusten sollte und spätestens entsorgt werden würde, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren?
    Fakt war: Ob in ihrem Elite-Internat, auf der Uni oder bei den Rotariern - überall hätte Dorothea bessere, reichere, prominentere Männer aufgabeln können. Warum hatte sie ausgerechnet ihn erwählt? Hunderte Male hatte er sie danach gefragt, aber sie hatte immer ausweichend geantwortet, je nach Tagesform: Weil du so süß bist. Weil du so schlau bist. Weil du so ein guter Vater bist. Weil du mich so wundervoll vögelst.
    Er hätte das gern geglaubt, wenn sie ihn endlich geheiratet hätte. Tat sie aber nicht. Und warum nicht? War er womöglich der nützliche Trottel, der Dorothea Renommee brachte, ihrer Karriere nicht im Weg stand und gut genug war, um ein wenig anzugeben? Konnte eine Frau so denken? Dorothea allemal. Denn wann immer sie Geschichten aus der Bunten kommentierte, dann ausschließlich nach Kriterien der Nützlichkeit. Von Gefühlen hatte Martin sie nur selten reden gehört. Warum sollte sie nur bei anderen in diesen Mustern denken, nicht aber in ihrem eigenen Leben?
    So war es auch mit Holtkötter.Dorothea wollte endlich weg von diesem Neunzig-Sekunden-Fenster in den Nachrichten, wenn sie einfach nur den Tag an der Börse herunterratterte. Sie wollte eine eigene Sendung, sie wollte zeigen, was sie wirklich draufhatte. Holtkötter entschied über solche Jobs. Und deswegen musste er heute Abend begeistert sein, von Dorothea, von der Wohnung, den Kindern, der Dachterrasse, aber vor allem vom Wein.
    Harry hatte ein gutes Gespür für solche Momente, in denen sich Lebensläufe entscheiden. Leider war nur sein Knecht da, ein fürchterlicher Klugscheißer - hochnäsiger
Weinberatungs-Praktikant mit französischem Genäsel. Außerdem konnte er kein »h«, so ähnlich wie der Neger bei Asterix, der im Ausguck des Piratenschiffs sitzt mit seiner R-Schwäche. Egal. Martin hatte nicht viel Zeit. »Bordeaux zum Chef-Beeindrucken«, sagte er knapp, um das Tannin-Gefasel aufs Minimum zu reduzieren.
    Der Aushilfs-Franzose hob die Braue. »Wir’abön gerade’eute ein sensationelles Stöffschen’öreinbekommön. Mais: nischt goonz billisch.« Er verschwand und kam mit einer Flasche zurück. Martin verstand von Wein nicht viel, wusste aber,dass er beim Gespräch mit Holtkötter ein paar kluge Bemerkungen würde machen müssen, über das Terroir. Der Franzmann wollte zu einem längeren Monolog anheben, aber Martin fragte nur: »Wie viele Läden in Berlin bieten diesen Wein an?« Harrys Knecht schwieg beleidigt. »Nur wir …«, sagte er dann. Gut, dachte Martin und gab die Begriffe »Longueville«, »Lalande 2003« und »Parker« in sein iPhone -Google ein. Franzmann guckte genervt. Aber das Internet war nun mal sehr viel schneller und vor allem zuverlässiger als Verkäufer-Gesabbel. Die nötigen Texte für das Gespräch mit Holtkötter würde er sich später zusammengooglen.
    Die Ergebnisse klangen sensationell: fünfundneunzig Parker-Punkte, das würde ja wohl reichen für Dorotheas Chef. Allerdings kostete eine Pulle selbst beim billigsten Internet-Höker noch knapp hundert Euro.
    »Was wollt ihr dafür haben?«, fragte Martin.
    »Wie viele Flaschön wünschen der’err?«
    Martin überlegte. Holtkötter war ein ausdauernder Zecher, plus Dorothea plus er selbst - sechs Flaschen waren nicht

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