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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Kommentierung sei. Heinz drehte betreten den Schraubenzieher in der Hand, die Kinder hatten den Strandkorb leise verlassen. Maik hatte das Prunkstück innerhalb von drei Minuten in einen Schandfleck verwandelt, ohne sich dabei die Arschkarte eingehandelt zu haben. Er glaubte erstmals zu kapieren, was Reife bedeuten könnte: elegantes Siegen.
    Leni und Heinz gehörten nicht zur Generation des offenen Wortes, weil sie nie gelernt hatten, mit Kritik umzugehen. Kritik bedeutete für sie nie einen Verbesserungsvorschlag, sondern immer einen persönlichen Angriff. Deswegen war Lenis Kuchen auch gleichbleibend schlecht. Niemand wagte, ihr die Wahrheit zu sagen und ihr die Chance zu geben, beim nächsten Mal zufriedenere Gäste zu bewirten. So täuschten und tricksten und flunkerten sich Maiks Schwiegereltern durchs Leben, bösartige Senioren, geizig, gierig, neidisch, tückisch, die mit permanentem Blick auf den eigenen Vorteil dieses Land durch und durch vergiftet hatten. In Hotels, Restaurants,Arztpraxen, Taxis und Supermärkten war ihre Meckerlust gefürchtet. Sie lasen immer das Kleingedruckte und begannen jeden zweiten Satz mit den Worten: »Das ist aber unser gutes Recht …« Mit diesem Schlachtruf plünderten sie erst die Renten-, dann die Gesundheitskasse, schließlich die Sonderangebotsständer und verbreiteten zum Dank auch noch schlechte Laune.

    Heinz und Leni hatten sich in fünf Jahrzehnten permanenten Aufschwungs vier kleine Eigentumswohnungen zusammengerafft, ohne jemals auch nur einen Hauch von echtem Lebensrisiko erlebt zu haben. Je weniger sie hatten durchmachen müssen, desto panischer waren sie, dass ihnen alles genommen werden könnte, vom Finanzamt, von Ausländern, von Ossis oder sonst welchen Kriminellen. Sie kassierten Rente, Betriebsrente, Zinsen, Dividenden und Mieten, führten sich aber pausenlos auf, als müssten sie morgen ins Armenhaus. Sie waren Profi-Opfer, die so taten, als hätten sie Deutschland aufgebaut, dabei hatten sie immer nur am Aufschwung teilgenommen, einfach nur, weil sie Glück hatten.
    Sie hielten Maik für eine Mischung aus Erbschleicher und Versager. Viel lieber hätten sie einen Anwalt als Schwiegersohn gehabt, der ihre ewigen Streitereien mit Mietern umsonst erledigt hätte, besser noch einen Chefarzt, der sie ernst nahm mit ihren ewigen Zipperlein.
    Doch dann war ihre Tochter mit einem geschiedenen Gärtner aus dem Osten gekommen. Maik verspürte einen unbändigen Stolz. Den Stolz des Häuptlings.

18 UHR

    Mit einer gewissen innerlichen Feierlichkeit hatte Attila seinen Blackberry ausgeschaltet, als er das ehrwürdige Backsteingebäude betrat. Er wusste immerhin noch, wie das ging. Das letzte Mal hatte er das Gerät länger an Weihnachten stillgelegt, fürs Essen; beim Kirchgang hatte er immerhin die Stummschaltung betätigt. Er musste doch wissen, ob und was die Bindinger ihren Mitarbeitern in solch emotional aufgeladenen Momenten mitteilte.

    Attila saß in einem schweren Ledersessel und wartete. Der Professor würde ihn gut behandeln, da war er sicher. Er hatte auch diesen Termin außerhalb der Geschäftszeiten möglich gemacht. Attila wollte von niemandem gesehen werden. Professor Schneider behandelte ihn schon deswegen bevorzugt, weil seine Klinik derzeit von einer Wesley -Schwadron durchkämmt wurde.
    Schneider war ein schlauer Mensch: Er wusste genau, dass seine Zukunft vom Ergebnis des Wesley -Gutachtens abhängen würde. Attestierte ihm die Strategieberatung medizinische Exzellenz und ordentliches Wirtschaften, dann würde er fortan für jeden Leitungsposten in Deutschland gehandelt werden. Kam Wesley zu niederschmetternden Resultaten, dann konnte der Herr Professor sich schon mal vorsorglich als Landarzt in der Prignitz bewerben.
    Worüber man nicht sprach: Der Chef von Wesley bestimmte natürlich über die endgültige Form des Gutachtens und damit über die Zukunft des Weißkittels. Auf Deutsch: Professor Schneider war ihm ausgeliefert, bis vor wenigen Stunden jedenfalls. Was aber wäre, wenn er Schneider nun die Fruchtbarkeitsprobleme seiner Frau beichtete? Wenn der Professor eine Drecksau war, und nichts sprach bei leitenden Medizinern dagegen, dann würde er diese Information geringfügig modifizieren und ein Leben lang gegen Attila verwenden.
    Als Spitzenkraft durfte man seine Frau schlagen, besoffen Menschen totfahren und sich im Nazi-Kostüm in der Kühlkammer anketten lassen - aber man durfte keine Potenzprobleme haben. Diese Information würde seine

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