Der Vollzeitmann
Panther in diesem Moment getan? Was würde passieren, wenn er seinen Gedanken jetzt einfach freien Lauf ließe? Der ganze Abend wäre im Eimer, Ulrike würde heulen, die Kinder wären irritiert und Leni würde sagen: »Was hat er denn schon wieder …?« Aber dem Häuptling wäre es egal.
Maik musste sich entscheiden: Krieg? Oder ein trügerischer Frieden mit dem Ergebnis, dass er den Plastikhaufen jahrelang im Garten ertragen musste. Die erwartungsvollen Blicke seiner Familie pikten von allen Seiten: Zwei Kinder, zwei Schwiegereltern und die eigene Frau wollten Zeuge
sein, wie Vati sich freut. Natürlich ging es auch um Macht: Wenn er diesen Strandkorb zulassen würde, dann wäre er auf ewig enteiert. Wöchentlich würde er unter neuen Metro -Kartons begraben und stünde unter fortgesetzter Freupflicht.
Metro - so hieß die Sekte von Leni und Heinz. Sie waren blindgläubiger als jeder Scientologe. Metro , das war so gut, so billig, so viel, so praktisch, ein Traum für Menschen, die das Einkaufen zu ihrem Lebensinhalt gemacht hatten. Zweimal in der Woche fuhren Heinz und Leni in die Metro , und sie erzählten davon wie Großvater vom Krieg: die Schlacht auf dem Parkplatz, das Rennen zu den Restposten, die Verteidigung des Einkaufswagens, aus dem neulich doch tatsächlich ein gegnerischer Konsument ein Paar Sonderangebote entwenden wollte, weil er es selber nicht mehr geschafft hatte, schließlich die Flucht aus dem Konsumkessel, entbehrungsreich und voller Härte.
Deutsche brauchten offenbar immer Heldengeschichten, die mit Kampf und Durchhalten zu tun hatten. Opa hatte Stalingrad, Heinz und Leni hatten die Metro , und Maik und Ulrike wurden mit immer mehr nutzlosem Gerümpel zugeschüttet, nur weil zwei Rentner zu viel Geld, zu viel Zeit und zu wenig Sinn im Leben hatten. Maik hatte nichts gegen Strandkörbe, im Gegenteil: Aus Holz und Segeltuch ließen sich Kunstwerke bauen; aber aus Plastikmüll eben nicht. Und es war auch keine Leistung, einen billigen Fake aus der Metro nach Reihenhausen zu schleifen.
Maik schwieg. Ihm fiel keine Antwort ein, die niemanden verletzen würde. Nur so viel war klar: Dieses Ungetüm musste aus seinem Garten verschwinden. Maik fixierte seinen Schwiegervater. Wenn er einen Verbündeten hatte, dann war es Heinz, der Freizeit-Kapitän. Komisch, dass fast alle ältere Herren einen maritimen Kick bekommen.
Maik hatte sich entschieden. Er hätte große Lust gehabt, einen Tobsuchtsanfall hinzulegen, was seinen verdammten Schwiegereltern eigentlich einfiele, ihm eine Ladung Sondermüll in den Garten zu kippen, ob sie nicht vielleicht auch noch das Wohnzimmer umdekorieren oder gleich im Ehebett Platz nehmen wollten.
Aber er würde es diesmal perfider anstellen und auf die pädagogische Tour kommen. Er würde Ulrike, ihre Eltern und seine eigenen Kinder dazu bringen, zuerst das Trümmerteil und dann sich selbst zu verachten. Er wollte den moralischen Sieg, über Heinz, über Leni, über Ulrike und vor allem über die Metro .
»Heinz, du bist doch ein Kenner der Küste«, sagte Maik, vielleicht eine Spur zu süßlich.
Heinz witterte Ungemach. Er nickte vorsichtig. »Nun stell dir doch mal vor, du wärst Strandkorbverleiher auf Sylt.«
Heinz nickte wieder. Die Vorstellung gefiel ihm. »Würdest du einer Urlauberin wie, sagen wir Leni oder Ulrike, einen solchen Strandkorb vermieten?«
Noch bevor Heinz sich winden konnte, nahm Maik seine Schwiegermutter ins Visier.
»Und würdest du, liebe Leni, zwei Wochen Urlaub in diesem Strandkorb verbringen wollen? Oder du, liebe Frau?« Ulrike schüttelte ganz leicht den Kopf, entgegnete aber: »Das kann man doch nicht vergleichen. Der hier ist doch nur zur Zierde.«
Maik machte eine kleine Pause. »Nein, meine liebe Frau, das stimmt nicht. Wenn wir ein so dominantes Möbelstück auf der Terrasse stehen haben, dann möchte ich es nicht nur angucken, sondern nutzen; ich möchte mit dir, den Kindern oder einfach nur mit einer Tasse Kaffee und der Zeitung darin sitzen. Ich möchte ein Stück Nordsee-Feeling.
Das bekomme ich in Segeltuch und Holz, aber garantiert nicht auf rutschigem Plastik.«
Maik gönnte sich eine Pause, dann endete er mit dem Schlusshammer: »Als Premium-Kunden bei der Metro könnt ihr das Ding doch bestimmt umtauschen. Oder ihr stellt es bei euch auf. Ich fasse gern mit an. Bei uns bleibt es jedenfalls nicht.«
Leni sah Ulrike fragend an, als überlegte sie, ob »Was hat er denn jetzt schon wieder …« die angemessene
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