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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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ein »Concealer«? Jochen hatte nicht die geringste Ahnung. Er tippte auf eine Art Push-up-BH. Was mochte »Happy Trail« bedeuten? Bestimmt Glückspillen für Frauen, irgendein Hormonzeug, das durch die Wechseljahre führte.
    Und was zum Teufel konnte ein »Honeymoon-Syndrom« sein? Vielleicht der Wunsch, sich gleich in der ersten Woche nach der Hochzeit wieder scheiden zu lassen?
    Die Auflösung war ziemlich überraschend und lieferte einmal mehr den Beweis, dass die Wissensgesellschaft auch jede Menge unnützes Wissen produzierte.
    »Concealer« zum Beispiel, das war ein Spezialstift für Hautunreinheiten. Jochen kannte nur Clearasil . Und »Abdeckfarbe« verstand auch jeder bei Drospa .

    »Happy Trail« wiederum war der Fachbegriff für die feinen Härchen, die sich bei einer Frau von der Scham bis zum Bauchnabel zogen - hoffentlich nicht zu dicht und zu dunkel, dachte Jochen. Jedenfalls eine Spielart der Körperbehaarung, die der Kenner durchgehen ließ.
    »Honeymoon-Syndrom« schließlich, das war eine Harnwegs-Infektion nach zu viel Geschlechtsverkehr während der Hochzeitsreise, eines der wenigen Krankheitsbilder, die Jochen trotz seiner fortgeschrittenen Hypochondrie noch nie verspürt hatte.
    Dafür zeigte er derzeit alle Anzeichen von Parkinson. Pausenlos verschüttete er irgendwas oder stieß mit dem Kopf an. Außerdem konnte er machen, was er wollte: Nach dem Pinkeln ließ sich der letzte Tropfen nie abschütteln, sondern ging immer in die Unterhose. Es roch auch anders als früher. Das war ein eindeutiges Zeichen für fortgeschrittenen Verfall.
    Jochen hatte Angst. Vielleicht musste er bald in ein Heim, eine schäbige Sozialanstalt, wo ukrainische Pfleger einem nach spätestens zwei Wochen alle Knochen gebrochen hatten, was umso schmerzhafter war, da man in seinen eigenen Fäkalien vor sich hinfaulte. Selbst Cowboys mochten auf diese Art nicht sterben.

23 UHR

    Maik hatte zwei Gläser Prosecco zur Begrüßung gestürzt und war jetzt beim dritten Bier. Die Pfostens hatten einen Wintergarten, den man, natürlich sehr praktisch, mit großen gläsernen Bauelementen vergrößern oder verkleinern konnte. Nun hockten sie darin wie im Aquarium. Die Kinder der Pfostens hatten artig »Guten Abend« gesagt und waren dann ganz von selbst ins Bett gegangen. Bestimmt auf Ritalin.

    Die Siedler von Catan standen auf einem Beistelltischchen bereit, plus ein Dutzend Spielerweiterungen. Die Pfostens waren manische Spieler und Beistelltischchenplatzierer. Maik mochte die Siedler von Catan , weil kein anderes Spiel den Kapitalismus so gut erklärte, nicht mal Monopoly . Zuerst allerdings mussten sie die Kochexperimente der Pfostin über sich ergehen lassen. Ihr Hinweis, dass sie schon gegessen hätten, zählte nicht. Die Pfostin hielt sich für eine unglaublich kreative Küchenhexerin. Maik hätte gern ein paar in Fett gebackene Käsekrapfen und ein Trappistenbier dazu gehabt, aber die Pfostin hatte nur Flammkuchen gebacken, aus Buchweizenmehl, dafür mit Sojawurstscheiben und Zitronengrasschnipseln belegt. Hatte sie sich selbst ausgedacht. »Total lecker«, sagte sie. Maik nahm höflicherweise ein Stück, versuchte, flach zu atmen und spülte den pulvrigen Fladen noch im Kauen mit einem immensen Schluck Bier hinab. Ulrike kaute demonstrativ lange und sagte immer wieder: »Hmmm, der ist aber gut.« Maik wusste, dass sie log.
    Der Pfosten mümmelte und sagte: »Etwas trocken.«
    Sie sagte nur fragend-mahnend: »Hallo?«
    Der Pfosten wiederholte: »Etwas sehr trocken.«
    Sie, noch viel fragender-mahnender: »Hallo?«
    Fragend-mahnendes »Hallo« ohne jeden weiteren Zusatz, das war perfektes Pfosten-Deutsch, fand Maik. Immerhin redete Ulrike nicht so, jedenfalls nur selten, in ungefähr dreißig Minuten aber auf jeden Fall, wenn sie die Weinschorlen weiter so wegzog. Dann würde Nizza wieder mal aufs Programm rücken.
    Maik legte seinen angebissenen Buchweizenfladen auf den Teller und stellte den Teller auf eines der vielen Beistelltischchen. Zum Entsorgen waren die Dinger gut. Die Pfostin hatte die erste Runde Siedler gewonnen.

    »Zufall«, hatte Maik gut gelaunt festgestellt.
    »Fünf Euro in die Chauvi-Kasse«, hatte die Pfostin geantwortet.
    »Chauvi-Kasse ist voll, passt nichts mehr rein«, erwiderte der Pfosten.
    Das war das Faszinierende an der Spruchbeutelei: Die beiden zogen das Geschwätz gnadenlos durch, egal wie sinnfrei es war. Ulrike stürzte die nächste Schorle. Sie war so gut wie stramm. Maik nahm sich
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