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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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Gott des Feuers und der Bären spielen durfte. Alle mussten sich das gefallen lassen, um den mächtigen Gott der Bären und des Feuers, zu dessen Ehre der Tanz aufgeführt wurde, nicht zu verärgern. Wenn dann alle am Boden lagen, stand dieser Hinkelsteintyp mit ausgebreiteten Armen in der Mitte des Kreises und sah aus, wie ein aufgerichteter Frosch mit langen Haaren. Wie ein Frosch sprang er dann auch dreimal um das große Feuer, während die Männer der Horde zur Ehre des Gottes mit ihren Keulen auf den Waldboden trommelten und mit dumpfem Geheul um reiche Jagdbeute flehten. 
    Der Vorfahr unterbrach seine Erzählung, um Luft zu schöpfen. Für einen Augenblick war ich wieder ich selbst.
    Er hatte also auch etwas gegen Muskelprotze, dieser Vorfahr, und die Heiratszeremonie wurde »An den Haaren aufs Felllager zerren« genannt. Das war bestimmt ein Relikt aus noch viel früherer Zeit und wurde nur noch symbolisch vollzogen. Ich konnte das gut verstehen, denn heute war eine Hochzeit ja auch keine H o c h-Zeit mehr, sondern diente nur als Name für eine Zeremonie, die ziemlich sachlich auf einem Standesamt durchgeführt wurde.
    Schaukämpfe gab es damals also auch schon, allerdings nicht im Fernsehen, dafür aber mit religiösem Hintergrund. Die Regeln schienen allerdings die gleichen geblieben.
    Der Vorfahr trat wieder an meine Stelle. Ich ließ ihn weiterreden.
    Die Weiber durften nur aus der Ferne zuschauen, und da sie denn Sinn des Zeremoniells nicht erfahren sollten, verstanden sie auch nicht, dass der Triumph des Hinkelsteintyps nur vereinbart, war zum Lob des Gottes. Deshalb bewunderten sie ihn wie einen wahren Helden.
    Yrsig hat ihn ganz besonders bewundert, weil sie geglaubt hat, so ein Unbesiegbarer könnte ihr gegen Hackalim helfen, der sich Blumen in die Ohren steckte und die meiste Zeit mit schaukelndem Oberkörper am Boden hockte, seit er heimlich zu viel von den Wunderpilzen des Schamanen gegessen hatte und der immer versuchte sie an den Haaren zu ziehen und mit Steinen nach ihr warf und ihr mit der Faust drohte, wenn sie in seine Nähe kam. Sie hatte Angst vor ihm. Also dachte sie, da käme ihr so ein Unbesiegbarer gerade recht. Der würde es dem Hackalim schon zeigen. Darum holte sie die bunte Schlangenhaut, die ich ihr geschenkt hatte aus dem Loch unter dem Stein in unserer Höhle, wo sie ihren Krimskrams versteckt hatte und lief damit in den Wald, wo sie bunte Blumen hineinknotete, um ihr Haar damit zu schmücken. Dann rannte sie zum Trinkfelsen, an dem der Hinkelsteintyp lehnte und gegorenen Wurzelsaft in sich hinein schüttete, mit der Faust auf die Steine schlug und herum brüllte, wie gewaltig stark er sei. Dabei blickte er mit zusammengekniffenen Augen zu der dicken Drullsaua hinüber, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Yrsig aber beachtete er nicht. Auch als sie sich, wie eine rollige Katze an ihn drängte, schaute er nur irritiert auf sie herab, um dann wieder von dem Wurzelsaft zu trinken und der Drullsaua schöne Augen zu machen. So blieb ihr nichts übrig als sich zu trollen, mit ihrem schönen Schlangenhaut-Haarschmuck und den Hinkelsteintyp von unserem Höhleneingang aus anzuhimmeln.
    Der Vorfahr seufzte tief. Dann fuhr er fort:
    Alles das hatte ich gesehen von meinem Platz am großen Feuer und ein großer Schmerz über Yrsigs Dummheit drohte meine Brust zu zerreißen. Also schulterte ich meine schöne Eichenholzkeule, blickte hinauf in den klaren Nachthimmel, folgte dem Ruf des großen Sternes und verließ den Lichtkreis des Feuers.
    Zunächst trabte ich eilig im Schatten der Bäume den alten Pfad entlang, dann taumelnd, geblendet vom kalten Licht des Mondes über die unwirklich scheinende Ebene, durch raschelndes, knisterndes Gras, auf den Geruch und das immer lauter werdende Raunen des Flusses zu. Trauer war in mir und ein trockenes Schluchzen schüttelte mich. Ich bog die Zweige der Weidenbüsche auseinander, schob mich hindurch und stand am Ufer. Das Wasser war schwarz unter dem gleißenden Licht des Mondes. Seine runde Scheibe, die sich dahin spiegelte, wurde in der Mitte des Flusses auseinandergezerrt von der wilden Kraft, mit der er Strudel bildend über die Felsen strömte. Der weite unendliche Himmel wölbte sich über mir. Ich blickte hinauf zum großen Stern und noch mehr Trauer erfüllte mich. Ich hockte mich nieder und umfasste meine Knie. Meine Augen fanden den Mond und ich sang das Lied der Wölfe. Meine Stimme klang weit durch das Tal. Fern, vom anderen Ufer stimmten

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