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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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»Von einer kann ich dir noch erzählen:
    Es war, als sie gerade in dem Alter war, in dem sich ihre Brüste heranbildeten zu kleinen festen Hügeln mit zarten Himbeeren an den Spitzen, da spielte sie vor der Höhle des Schamanen genau neben der Stelle, an der er seine Pilze trocknete. Der Schamane liebte und kannte sie. Er legte oft die Hand auf ihren Scheitel und sprach Worte des Segens. An diesem Tag bereitete er den Jagdzauber vor und beachtete sie nicht. Da steckte sie, ohne nachzudenken, einen der Pilze unter ihren Fellschurz und lief damit zu den anderen älteren Kindern der Horde. Sie zeigte ihnen den Pilz und sie teilten ihn und aßen ihn. Danach fühlten sie sich wie fliegende Vögel und Schmetterlinge. Alle lobten die, die du viele Jahre später an den Haaren auf dein Felllager gezerrt hast. Also ging sie immer wieder zur Höhle des Schamanen und stahl von den Pilzen. Jedes Mal wurde sie von den anderen sehr gelobt. Eines Tages ertappte sie der Schamane. Er warnte sie und erklärte ihr, dass die Geister alle strafen würden, die von den Pilzen aßen, nur den Schamanen nicht. Sie musste ihm versprechen, nie wieder einen Pilz zu stehlen, weil auch er sie sonst bestrafen müsse. Die Strafe der Geister hatte sie schon zu spüren bekommen, denn jedes Mal, wenn sie als Vogel aufgeflogen war, stürzte sie am Ende ihres Fluges herab auf die Erde, fiel auf den Kopf und hatte schreckliche Schmerzen danach. Also versprach sie dem Schamanen, was er verlangte. Aber ihre jungen Freunde in der Horde wurden böse und verlangten immer aufs Neue von ihr, sie solle gefälligst zum Schamanen gehen und Pilze stehlen, denn sie wollten immer wieder fliegende Vögel und Schmetterlinge sein, auch wenn ihnen hinterher der Kopf wehtat. Als sie sich weigerte, bedrohten sie sie und schlugen sie, bis sie davonlief und in die Steppe flüchtete.«
    Den Rest der Geschichte kannte ich. In der Steppe war sie auf Homöopatha getroffen. Die alte weise Frau, die das Wissen vom Heilen mit Pflanzen in sich trug. Die hatte sie mitgenommen in die Berge, wo ich ihr begegnet war.
     
    Ich befreite meine Gedanken von den Bildern, die der Wolf mit seiner Erzählung in mir geweckt hatte, und fand mich in einen riesigen Raum, dessen Wände mit funkelndem Bergkristall bedeckt waren. Vor mir auf einem mächtigen durchsichtigen Block stand das Große alte Mammut und blickte mich traurig an.
    »Willkommen «, sprach das Große alte Mammut.
    Ich glaubte zu sehen, dass sein Blick sich verfinsterte und bemerkte, die Keule in meiner Hand. Schnell ließ ich sie fallen und machte die Geste der Unterwerfung. Die Augen des Großen alten Mammuts blickten freundlicher.
    »Trauer sehe ich in dir«, sprach das Große alte Mammut, »und Trauer ist auch in meinem Herzen. Schreckliches mussten meine Augen sehen. Jetzt sieh auch du, was ich gesehen habe.«
    Der Rüssel des Großen alten Mammuts senkte sich auf mich herab und berührte meinen Scheitel. Schwindel erfasste mich. Ich fühlte mich emporgehoben. Dann, als säße ich in seinem Kopf, sah ich, was das Große alte Mammut sah.
    Die Sonne war gerade untergegangen und hatte ein zartes Rosa am Himmel zurückgelassen. Eine unübersehbare Anzahl Mammuts graste friedlich in der Steppe, nahe der Felsenkante an der sich das Bett des ausgetrockneten Flusses in die Landschaft grub. Hier reichte das Grasland bis zum Abgrund. Es hatte die Form einer Zunge. Davor und dahinter entlang der Schlucht hatten sich Sümpfe gebildet. Goldgelbes Schilf wogte im Abendwind vor dem dunklen Moos des Moores. Der Wind wehte vom offenen Land herein. Fliegen summten über den Rücken der Herde. Die Tiere bewegten sich langsam im Kreis. Die Mammut-Babys drängten sich an die Leiber ihrer Mütter. Die unterbrachen das Rupfen des Grases und streichelten mit dem Rüssel zärtlich über die Köpfe der Kleinen. Ab und zu hob einer der Bullen sein Haupt und trompetete fröhlich in die milde Luft. Die Nacht schickte ihre ersten Schatten über das Land. Friede lag in diesem Bild. Freude und Ruhe zogen in mich ein.
    Dann geschah es. Der Wind wurde stärker. Rauchwolken trieben vor ihm her. Plötzlich schossen Flammen aus dem Boden. Sie krochen auf die Herde zu. Sie wurden größer. Sie wuchsen zu einer Wand aus Feuer und Rauch empor. Die Herde wurde unruhig. Die ersten Tiere ergriffen die Flucht. Sie stürmten hinein in den Haufen der anderen. Schoben ihn zwischen den Sümpfen zusammen, drückten ihn an den Rand des Abgrunds. »Nein!.« wollte ich schreien.

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