Der Wachsblumenstrauß
begegnet wären?«
Mr Entwhistle überlegte.
»Auf der Straße wäre ich vielleicht an ihr vorbeigegangen, ohne sie zu erkennen. Als Mädchen – und als das hatte ich sie das letzte Mal gesehen – war sie ein dünnes Ding gewesen, und jetzt war sie zu einer fülligen, etwas ungepflegten Frau mittleren Alters geworden. Aber ich glaube, ich hätte sie wiedererkannt, sobald ich direkt mit ihr gesprochen hätte. Sie trug die Haare noch wie früher, ein ganz gerade geschnittener Pony, und sie hatte die Eigenart, einen durch die Ponyfransen hindurch anzublicken wie ein scheues Reh. Und sie hatte eine sehr charakteristische, abrupte Art zu reden und dabei den Kopf zur Seite zu legen, ehe sie etwas ganz Unerhörtes sagte. Sie hatte Charakter, verstehen Sie, und Charakter ist immer sehr individuell.«
»Sie war also noch dieselbe Cora, die Sie vor Jahren gekannt hatten. Und sie sagte noch immer unerhörte Sachen! Die Sachen, diese unerhörten, die sie in der Vergangenheit gesagt hatte – waren sie meist… gerechtfertigt?«
»Das war ja gerade das Unbequeme an Cora. Immer, wenn die Wahrheit besser ungesagt geblieben wäre, hat sie sie ausgesprochen.«
»Und diese Eigenart hatte sie beibehalten. Richard Abernethie wurde ermordet – und deswegen sagte Cora es auch.«
Mr Entwhistle rutschte auf seinem Stuhl umher. »Sie glauben, dass er wirklich ermordet wurde?«
»O nein, mein Freund, so voreilig dürfen wir nicht sein. Wir halten fest – Cora glaubte, dass er ermordet worden war. Sie war davon überzeugt, dass er ermordet worden war. Es war für sie eher eine Feststellung als eine Vermutung. Und das führt uns zum Nächsten – sie muss einen Grund für ihre Überzeugung gehabt haben. Nach dem, was Sie von ihr wissen, gehen wir davon aus, dass sie nicht nur ein wenig Aufruhr stiften wollte. Sagen Sie mir – nachdem sie gesagt hatte, was sie sagte, erhob sich sofort ein Sturm des Protests – ist das korrekt?«
»Absolut.«
»Und dann wurde sie verwirrt, beschämt und nahm ihre Worte zurück – und sagte – soweit Sie sich erinnern – etwas wie: ›Aber ich dachte, nach dem, was er mir sagte …‹«
Der Notar nickte.
»Ich wünschte, ich könnte mich genau erinnern. Aber ich bin mir ziemlich sicher. Sie verwendete die Worte ›was er mir sagte« oder »was er mir erzählte…«‹
»Und die Sache wurde dann rasch überspielt und alle sprachen von anderen Dingen. Sie erinnern sich rückblickend nicht an einen besonderen Gesichtsausdruck bei jemandem? Irgendetwas, das Sie als – sagen wir… ungewöhnlich speicherten?«
»Nein.«
»Und am Tag darauf wird Cora ermordet – und Sie fragen sich: ›Kann das eine mit dem anderen in Zusammenhang stehen?‹«
Der Notar wand sich wieder unbehaglich.
»Ihnen kommt das wahrscheinlich etwas weit hergeholt vor?«
»Keineswegs«, antwortete Poirot. »Unter der Voraussetzung, dass die erste Annahme der Wahrheit entspricht, ist dieser Verdacht nur logisch. Der perfekte Mord, der Mord an Richard Abernethie, ist begangen worden, alles ist glatt abgelaufen – und plötzlich stellt sich heraus, dass eine Person die Wahrheit kennt! Selbstverständlich muss diese Person so schnell wie möglich zum Verstummen gebracht werden.«
»Dann glauben Sie doch, dass es… Mord war?«
Poirot sprach mit getragener Stimme. » Mon c her, ich denke wie Sie – es gibt Grund zu ermitteln. Haben Sie schon irgendwelche Schritte unternommen? Sie haben mit der Polizei über diese Dinge gesprochen?«
»Nein.« Mr Entwhistle schüttelte den Kopf. »Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich damit irgendetwas erreichen würde. Meine Rolle ist, die Familie zu vertreten. Wenn Richard Abernethie ermordet wurde, dann kann das nur auf eine einzige Art geschehen sein.«
»Gift?«
»Genau. Und die Leiche wurde verbrannt. Es ist unmöglich, jetzt noch einen Beweis zu finden. Aber ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich selbst in dieser Frage Gewissheit haben muss. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich an Sie gewendet habe, Poirot.«
»Wer war bei seinem Tod im Haus?«
»Ein betagter Butler, der seit Jahren für ihn arbeitete, eine Köchin und ein Dienstmädchen. Es scheint wohl, als müsste es einer von ihnen gewesen sein…«
»Ah! Versuchen Sie nicht, mir Sand in die Augen zu streuen. Diese Cora, sie weiß, dass Richard Abernethie ermordet wurde, aber sie willigt ein, die Tatsache zu vertuschen. Sie sagt: ›Ich glaube, ihr habt völlig Recht‹. Deswegen muss der Betreffende zur Familie
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