Der Wachsblumenstrauß
foie gras und dazu heißem, in eine Serviette gewickeltem Toast.
»Unser pâté nehmen wir hier am Kamin«, beschied Poirot. »Anschließend schreiten wir zu Tisch.«
Eineinhalb Stunden später reckte Mr Entwhistle sich behaglich in seinem Stuhl und stöhnte zufrieden.
»Sie wissen zweifellos, wie man es sich gut gehen lässt, Poirot. Wie von einem Franzosen wohl nicht anders zu erwarten.«
»Ich bin Belgier. Aber sonst trifft Ihre Bemerkung zu. In meinem Alter besteht das Hauptvergnügen, wenn nicht das einzige noch verbliebene Vergnügen, in der Gaumenfreude. Zum Glück habe ich einen ausgezeichneten Magen.«
»Ah«, murmelte Mr Entwhistle.
Sie hatten Seezunge véronique gegessen, danach eine esc a lope de veau milanaise und schließlich poire flambée mit Eis. Dazu hatten sie zuerst einen Pouilly-Fuissé getrunken, dann einen Corton, und jetzt stand vor Mr Entwhistle ein ausgezeichneter Port. Poirot, der sich aus Dessertwein nichts machte, trank eine Crème de Cacao.
»Ich weiß nicht, wie Sie es schaffen, eine so gute e s calope zu bekommen!«, seufzte Mr Entwhistle, in Gedanken noch beim Essen verweilend. »Sie ist auf der Zunge zergangen!«
»Ich habe einen Bekannten, der ein Fleischer vom Kontinent ist. Ich habe ihm bei einem kleinen familiären Problem geholfen. Er war mir sehr dankbar – und seitdem ist er überaus verständnisvoll, wenn es um meinen Magen geht.«
»Ein familiäres Problem«, stöhnte Mr Entwhistle. »Ich wünschte, Sie hätten mich nicht daran erinnert… Es ist gerade ein so wunderbarer Moment…«
»Verlängern Sie ihn noch ein wenig, mein Freund. In Kürze wird uns eine demi-tasse serviert und der Brandy, und dann, wenn die Verdauung einsetzt, dann werden Sie mir sagen, weshalb Sie mich um Rat ersuchen.«
Die Standuhr schlug halb zehn, als sich Mr Entwhistle schließlich in seinem Stuhl aufsetzte. Der psychologisch richtige Moment war gekommen. Jetzt widerstrebte es ihm nicht mehr, seine Gedanken und Zweifel zur Sprache zu bringen – im Gegenteil, er konnte es kaum noch erwarten.
»Ich weiß nicht, vielleicht gebe ich mir die unverzeihlichste Blöße«, begann er. »Und auf jeden Fall sehe ich nicht, dass man irgendetwas unternehmen kann. Aber ich würde gerne die Tatsachen vor Ihnen ausbreiten und hören, was Sie dazu zu sagen haben.«
Er machte eine kurze Pause, dann schilderte er auf seine trockene, präzise Art das bisher Vorgefallene. Juristisch geschult, wie er war, legte er die Tatsachen klar dar, ohne etwas auszulassen oder Überflüssiges hinzuzufügen. Es war eine kurze, knappe Darstellung und wurde als solche von dem kleinen, ältlichen Herrn mit dem eiförmigen Kopf schweigend und mit Wohlwollen aufgenommen.
Als Mr Entwhistle geendet hatte, herrschte zunächst Stille. Der Notar hatte mit einigen Fragen gerechnet, doch Hercule Poirot schwieg. Er dachte nach.
»Das klingt alles sehr schlüssig«, meinte er schließlich. »Sie haben den Verdacht, dass Ihr Freund Richard Abernethie ermordet worden sein könnte. Dieser Verdacht, oder diese Vermutung, beruht nur auf einem – auf den Worten, die Cora Lansquenet bei Richard Abe r nethies Beerdigung sagte. Nehmen Sie diese Worte weg, und es bleibt nichts. Die Tatsache, dass sie selbst am folgenden Tag ermordet wurde, könnte reiner Zufall sein. Zweifellos, Richard Abernethie ist sehr plötzlich gestorben, aber er wurde von einem angesehenen Arzt betreut, der ihn gut kannte, und dieser Arzt wurde nicht misstrauisch, sondern stellte den Totenschein aus. Wurde Richard beerdigt oder verbrannt?«
»Verbrannt – auf eigenen Wunsch hin.«
»Ja, das ist das Gesetz. Und das heißt, dass ein zweiter Arzt die Urkunde bestätigen musste – aber das würde keine Schwierigkeiten bereiten. So kommen wir zum Ausschlaggebenden zurück – zu dem, was Cora Lansquenet sagte. Sie waren dabei und haben sie gehört. Sie sagte: ›Aber er ist doch ermordet worden, oder nicht?‹«
»Ja.«
»Das Wesentliche ist – Sie glauben, dass sie die Wahrheit sagte.«
»Ja, das stimmt.«
»Warum?«
»Warum?« Mr Entwhistle wiederholte das Wort etwas verwundert.
»Aber ja – warum? War es, weil Sie im tiefsten Innern bereits Zweifel an der Ursache für Richards Tod hatten?«
Der Notar schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht im Mindesten.«
»Dann ist es wegen ihr – wegen Cora. Sie kannten sie gut?«
»Ich hatte sie seit… sagen wir mal, zwanzig Jahren nicht mehr gesehen.«
»Hätten Sie sie erkannt, wenn Sie ihr auf der Straße
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