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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Hand.
    »Oh, danke, danke – das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Ich glaube, ich kann von mir behaupten, dass ich am Krankenbett sehr anstellig bin, und ich bin sicher, dass ich mit Ihrem Onkel zurechtkomme und ihm was Nettes zu essen kochen kann. Das ist wirklich zu freundlich von Ihnen, Mrs Banks. Ich danke Ihnen ganz herzlich.«

Elftes Kapitel

I
     
    S usan lag im Bett und versuchte einzuschlafen. Es war ein langer Tag gewesen und sie war müde. Sie war überzeugt gewesen, dass sie sofort einschlafen würde, wie sonst auch immer. Und jetzt lag sie Stunde um Stunde hellwach im Bett und Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf.
    Sie hatte gesagt, es würde ihr nichts ausmachen, in diesem Zimmer zu schlafen, in diesem Bett. Dem Bett, in dem Cora Abernethie…
    Nein, an solche Dinge durfte sie jetzt nicht denken. Sie war immer stolz darauf gewesen, Nerven wie Drahtseile zu haben. Warum sollte sie denn ausgerechnet an den Nachmittag vor knapp einer Woche denken? Sie musste vorwärts denken – an die Zukunft. An ihre und Gregs Zukunft. Die Räume in der Cardigan Street waren wirklich genau das Richtige. Im Erdgeschoss der Laden, darüber die hübsche Wohnung. Das Hinterzimmer würde ein großartiges Labor für Greg geben. Schon aus steuerlichen Gründen war der Plan ausgezeichnet. Greg würde sich wieder fangen und richtig gesund werden. Und keine schrecklichen Anfälle mehr bekommen, bei denen er völlig neben sich stand. Bei denen er sie ansah, als würde er sie gar nicht kennen. Ein- oder zweimal hatte sie es regelrecht mit der Angst zu tun bekommen. Und der alte Mr Cole – das hatte sie zwischen den Zeilen herausgehört – hatte ihm gedroht: »Wenn das noch einmal vorkommt…« Und es hätte wieder vorkommen können – es wäre wieder vorgekommen. Wenn Onkel Richard nicht gerade jetzt gestorben wäre…
    Onkel Richard – aber warum sich überhaupt Gedanken machen? Er hatte nichts gehabt, das ihn noch am Leben hielt. Er war alt und müde und krank gewesen. Sein Sohn war gestorben. Eigentlich war es gnädig, einfach so friedlich im Schlaf zu sterben. Im Schlaf… friedlich… Wenn sie nur einschlafen könnte! Es war unsinnig, stundenlang wach zu liegen… die Möbel knacken zu hören, das Rascheln der Blätter an den Bäumen und Büschen vorm Fenster, ab und zu ein melancholischer Vogelschrei – eine Eule vermutlich. Irgendwie war es unheimlich hier draußen auf dem Land. So ganz anders als in der großen, lauten, anonymen Stadt. Dort konnte man sich sicher fühlen, war umgeben von anderen Menschen, nie allein. Aber hier…
    Manchmal spukte es in Häusern, in denen jemand ermordet worden war. Vielleicht würde dieses Cottage zum Geisterhaus werden. Wo der Geist von Cora Lansquenet umging… von Tante Cora. Seltsam, seitdem sie hier war, hatte sie irgendwie das Gefühl, dass Tante Cora noch ganz nah war… zum Greifen nah. Alles nur Nerven und Einbildung. Cora Lansquenet war tot, und morgen würde sie begraben werden. Im Cottage war niemand außer Susan selbst und Miss Gilchrist. Warum hatte sie dann das Gefühl, dass noch jemand hier im Zimmer war, ganz nah bei ihr…
    Sie hatte in diesem Bett gelegen, als das Beil auf sie herabgesaust war… Selig schlafend hatte sie hier gelegen… Nichts geahnt, bis das Beil sie traf… Und jetzt ließ sie Susan nicht einschlafen…
    Wieder knackten die Möbel… war das nicht ein verstohlener Fußtritt? Susan schaltete kurz das Licht an. Da war nichts. Die Nerven, nichts als die Nerven. Entspann dich… schließ die Augen…
    Aber das war doch ein Stöhnen – ein Stöhnen oder Ächzen… jemand hatte Schmerzen… jemand lag im Sterben…
    »Hör auf, dir was einzubilden, hör auf damit!«, flüsterte Susan sich zu.
    Der Tod war das Ende – nach dem Tod gab es kein Leben mehr. Es war unmöglich, dass irgendjemand zurückkam. Oder erlebte sie ein Ereignis aus der Vergangenheit nach – eine Frau, die im Sterben lag, die stöhnte…
    Da war es wieder… lauter… jemand stöhnte vor Schmerzen…
    Aber – das war real. Wieder knipste Susan das Licht an, setzte sich auf und lauschte. Das Stöhnen war ein echtes Stöhnen und sie hörte es durch die Wand. Es kam vom Zimmer nebenan.
    Susan sprang aus dem Bett, schlüpfte in ihren Morgenmantel und ging zur Tür. Dann trat sie auf den Flur hinaus, klopfte kurz an die Tür zu Miss Gilchrists Zimmer und ging hinein. Das Licht brannte. Miss Gilchrist saß aufrecht im Bett; sie sah sterbenselend aus. Ihr Gesicht war

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