Der Wachsmann
ich nicht.«
Das Schlimme ist, schoß es Peter durch den Kopf, er könnte es gewesen sein, ohne es zu wissen. Aber die Hacke… nein…
Peter versprach, noch einmal mit dem Richter zu reden.
Als beim Hinausgehen der Blick aus den traurigen Augen des Flößers so hoffnungsvoll auf ihm ruhte, spürte er wieder diesen Druck. Doch diesmal war er fest entschlossen.
Als Peter das Rathaus verließ, lief er fast in den Gerichtsdiener hinein.
»Das trifft sich gut«, bemerkte dieser. »Erspart mir einen Weg. Der Stadtrichter will Euch sehen. Ihr sollt Euch morgen um die dritte Stunde im Rechtshaus einfinden!«
»Im Rechtshaus?« fragte Peter bestürzt.
»So lautet die Anweisung.«
Peter überlegte fieberhaft, was dies zu bedeuten hatte. Warum empfing ihn der Richter diesmal nicht im eigenen Haus? Sollte das etwa schon… aber nein! Gerichtssitzungen waren dienstags oder freitags. Morgen war Donnerstag. Und außerdem: Gerichtstermin war gewöhnlich um die Mittagsstunde. Es sei denn, der Richter verfügte außerordentlich…
»Was ist mit Paul, ich meine, dem Pfleger und den anderen?«
»Davon weiß ich nichts. Gehabt Euch wohl. Und laßt den Richter nicht warten!«
Gott sei Dank! dachte Peter erleichtert. Die Gerichtsverhandlung konnte es offenbar nicht sein. Doch leise Zweifel peinigten ihn für den Rest des Tages.
Rechtzeitig und äußerlich durch betont sorgfältige Kleidung, innerlich durch allerlei Überlegungen gewappnet, bahnte sich Peter anderntags seinen Weg durch das Gewimmel an Marktständen und Schranne. Er umging die Schlange der Brotkäufer und stieg beherzt die Stufen zum Obergeschoß des Rechtshauses empor. Erst verlief er sich in die Stube des Schreibers, der ihm den Weg zum Richter wies.
Konrad Diener sah nur kurz auf, bedeutete Peter auf einer Bank Platz zu nehmen und vertiefte sich wieder in die vor ihm hegenden Papiere. Eher beiläufig knurrte er nach einer langen Weile: »Ihr wart nicht untätig während der letzten Tage.«
Peter schaute so unschuldig wie möglich. »Nun, es gibt viel zu tun seit dem Todesfall und ehe kein neuer Pfleger…«
»Kommt, kommt«, polterte der Richter unwirsch, »Ihr wißt, was ich meine. Was sollte Euer Auftritt bei den Pütrichs?«
»Haben Eure Spitzel vergessen, dies zu berichten?« erwiderte Peter ziemlich unverfroren.
»Vorsicht, junger Mann!« drohte der Richter. »Ihr tut besser daran, mich nicht wieder zu verärgern. Der alte Pütrich selbst war hier, um sich derlei Besuche zu verbitten. Und ich muß sagen, seine Klage scheint mir nicht ganz unberechtigt. Was geht’s Euch an?«
»Ist es etwa verboten, in christlichem Geist und lauterer Absicht…«
»Hört auf mit dem Unsinn!« unterbrach ihn der Richter. »Ihr habt etwas im Schilde geführt, und ich will wissen was.«
»Habt Ihr Euch nie gefragt«, entgegnete Peter trotzig, »welcher Art die Reichtümer waren, die man dem Pütrich angeblich entwendete und deretwegen andere zu Unrecht der Dieberei bezichtigt wurden?«
»Wollt Ihr jetzt auch noch das Recht in Eure Hände nehmen?« Der Richter hatte die Stimme erhoben und klang gefährlich.
»Das nicht«, beschwichtigte Peter, »jedoch die Wahrheit will ich.«
»Die Wahrheit«, wiederholte der Richter gedehnt und ließ dabei Peter nicht aus den Augen. Der hielt dem durchdringenden Blick stand, bis der Richter das stumme Kräftemessen beendete: »Nun gut. Laßt uns die Wahrheit suchen!«
Das Eis schien irgendwie gebrochen. Peter hatte mehr und mehr das Gefühl, daß dem Richter wieder an einer Zusammenarbeit gelegen war. Vielleicht brauchte der ihn gar, und die Zusammenkunft im Rechtshaus diente nur der Wahrung des äußeren Scheins. Vielleicht war es auch nur ein Schachzug, um ihn zu beeindrucken und auszuhorchen. Er würde jedenfalls vorsichtig sein.
Der Richter erhob sich, ging ein wenig auf und ab und suchte nach einem passenden Anfang.
»Ich bin während der letzten Tage… wie soll ich sagen… mir sind Zweifel darüber gekommen, daß Leonhart…« Er fuhr herum und deutete streng mit dem Zeigefinger auf Peter, der augenblicklich den Anflug eines triumphierenden Lächelns aus seinen Gesichtszügen verbannte. »Oh! Nicht, daß Ihr glaubt, es hätte etwas mit Eurer sonderbaren Vorstellung zu tun. Es ist das Ergebnis mühsamer Nachforschungen und gründlicher Überlegung.«
Peter war es augenblicklich egal, was dazu geführt haben mochte, wenn nur der Leonhart freikam.
»Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß der ungebärdige Flößer als
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