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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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noch die Person der jungen Ehefrau hervor. Aber Peter wollte sich nicht den Tratschweibern anschließen und ihr den Makel anheften. Er hatte so manches erfahren an diesem Tag und doch erschien es ihm, als bewege er sich im Kreis. Oder wurde er gar vorgeführt? Genasführt wie Meister Petz von den Gauklern. Unwillkürlich faßte er sich an die Nase. Er schüttelte sich kurz, so als fröstle er.
    »Lauter liebenswerte Menschen auf einmal«, brummelte er vor sich hin. »Und doch werde ich das Gefühl nicht los, daß der Schein trügt.«

15. Kapitel
     
    Dienstags war es endlich soweit. Schon im Morgengrauen hängten die Ratsdiener die Stadtfahne heraus, auf der der Mönch, das Wahrzeichen der Stadt, segnend seine Arme ausbreitete. Da die Jahrmärkte nach altem Brauch an Kirchfesten und Heiligentagen abgehalten wurden, war es selbstverständlich, daß alle Glocken der jungen Stadt den Jakobimarkt feierlich einläuteten.
    Die Pfaffen mahnten während der Morgenmesse eindringlich, daß die Weibspersonen sich in ihrer Putzsucht und Hoffart mäßigen sollten, was die Krämer, die Kämme und Gürtel, Spitzen und Bänder und allerlei hübschen Tand verkaufen wollten, natürlich nicht gerne hörten. Die Männer der Kirche redeten aber auch den ungehobelten Mannsbildern ins Gewissen, daß sie ihre Streitsucht zähmen und sich jeglicher Raufhändel enthalten mögen. Doch das hätten sie besser den Zugereisten gepredigt, denn die Platzhirsche waren sich allemal einig, daß immer die anderen den Anlaß zum Unfrieden gaben.
    Die Torwächter beäugten den Strom der Reisenden besonders argwöhnisch, um Beutelschneider, Taschenspieler und notorische Streithammel schon frühzeitig aus der Menge zu fischen, und die Knechte des Stadtrichters beobachteten aufmerksam das bunte Treiben auf der weiten Angerwiese. Der Himmel zeigte sich wieder von seiner besten Seite, und so war eigentlich alles trefflich bestellt, damit die Dult ein wunderbares Fest werden konnte. Die Fernhändler kamen so zahlreich wie eh und je, als ob kein Krieg bevorstünde. Sie brachten neben ihren Waren auch gute Nachrichten mit, daß nämlich Friedrich und Leopold zwar ihre Getreuen und Dienstmannen zu den Waffen riefen, daß aber noch keiner der Kaufleute unterwegs einem Heerhaufen begegnet war.
    Nur eine hätte das Gelingen des Festes beinahe in Frage gestellt, ein zügelloses und hemmungslos verspieltes Weib: Frau Isar. Durch die heftigen Regengüsse im ganzen Oberland während der letzten Tage war der behäbig plätschernde Fluß wieder zu einem reißenden Strom angewachsen. Denjenigen, die sich um die Wehrtüchtigkeit sorgten, war es zwar nicht unrecht, denn der schützende Wallgraben um die Stadt war auf diese Weise randvoll. Aber die boshafte Flußdame rüttelte und nagte auch an den Wuhrbauten und Senkbäumen, mit denen die von ihr ausgeleiteten Stadt-und Mühlbäche aufgestaut waren. So konnte es passieren, daß Mühlräder plötzlich auf dem Trockenen saßen oder in der Luft hingen, was man bei Walkmühlen und Lohstampf noch verschmerzte. Aber ein Ruhen der Mahlsteine für das tägliche Brot hätte gerade jetzt bedrohlich werden können. Der Rat hatte in diesen Tagen dem Brückenmeister eigens einen Aufpasser zur Seite gestellt, um das Anschwellen des Flusses und die Stabilität der Brücke zu beobachten. Denn es wäre kaum auszudenken gewesen, wenn ausgerechnet vor der Dult die Brücke, über die der Reichtum in die Stadt hineinrollte, zusammengestürzt wäre. Und der Brückenmeister behielt schon aus Eigennutz die Flößer im Auge, denn wenn ein stadtfremder Ferge mit seinem G’stör an die Pfosten schrammte, verfiel zur Strafe das gesamte Holz an den Brückenwart.
    Glücklicherweise hatte das Hochwasser seinen Höchststand schon am Vortag erreicht und war bereits wieder am Sinken, während in den Wirtshäusern und Herbergen der Strom der Gäste erst noch anschwoll. In den ersten Jahren hatte Agnes am Jakobitag noch die Konkurrenz des Klosters gefürchtet, denn den Klarissen am Anger, die Kloster und Kirchlein von den Brüdern des heiligen Franz übernommen hatten, standen Braurecht und Ausschank zu. Doch schnell war sie davon überzeugt, daß die Zecher nicht nur das Bier, sondern auch fröhliche Gesellschaft suchten, und so hatte sie denn an diesen Tagen alle Hände voll zu tun.
    Den Buben der Agnes paßte das gar nicht. Die Mutter hatte keine Zeit für sie, und alleine durften sie nicht zum Jahrmarkt. So bestürmten sie beide den Peter, er möge sie

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