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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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kennen würdet, dann wärt Ihr sicher anderer Meinung.«
    »Helft mir, das Bild zu polieren!« forderte Peter seinen Gesprächspartner auf und hoffte sogleich, daß sein Einwand nicht zu höhnisch geklungen habe.
    »Zugegeben«, fuhr der Kaufmann fort, »viele halten meinen Vater für hart und unnachgiebig. Ich selbst kann nur sagen, daß ich viel Gutes von ihm erfahren habe. Er mußte allerdings viele Enttäuschungen einstecken, und vielleicht ist es das, was ihn zuletzt hart und bitter gemacht hat. Aber ich will Euch nicht langweilen mit Geschichten aus meiner Familie.«
    »Oh, bitte«, warf Peter rasch ein, »fahrt nur fort!«
    »Durch Zähigkeit und Fleiß hat mein Vater dieses Handelshaus zu dem gemacht, was es heute ist. Bald lieferte er Wein an den Hof, und eines Tages gehörte er dem ehrenwerten Stadtrat an. Und er war stolz auf seinen Erstgeborenen, der einmal all dies übernehmen sollte. Da geschah es, daß Heinrich, mein älterer Bruder, auf einem Kaufmannszug tödlich verunglückte. Obwohl ich damals erst sieben Jahre zählte, sehe ich noch heute die Erschütterung des Vaters vor mir. Danach galt all seine Fürsorge mir, und er drängte mich förmlich in das Geschäft hinein, damit ich frühzeitig den Handel erlernte. Meine Mutter verstarb, als ich vierzehn Jahre alt war. Fortan war mein Vater schwermütig und erschien uns manchmal gar etwas wunderlich. Er betete und stiftete mehr als gewöhnlich, hörte täglich die Messe und zog sich immer mehr in sich zurück. So wuchs ich zwangsläufig in das Geschäft hinein, und Vater übertrug mir Pflicht um Pflicht. Und er hat mich damals sogar schon als Erben eingesetzt, wie er mir später einmal anvertraute.«
    »Verzeiht!« unterbrach Peter. »Euer Onkel, konnte der Euch nicht Stütze sein?«
    »Mein Oheim«, sagte Pütrich lachend, »ja! Onkel Ludwig ist ein liebenswerter Mensch, und er tat, was er nur konnte. Aber er ist kein Kaufmann. Zumindest behauptete das Vater immer von ihm. Der wurde kränklich und schien bald so hinfällig, daß wir uns schon Sorgen um sein Ableben machten. Da geschah etwas Wunderbares. Vor wenigen Jahren lernte er Birgit kennen und es war… oh, seine junge Frau, die viele für seine Tochter halten«, erklärte Pütrich rasch auf Peters fragenden Blick hin. »Für meinen Vater war sie wie ein Jungbrunnen. Er blühte auf und war plötzlich wieder ganz der alte, voller Mut und Tatendrang. Es war stets sein sehnlichster Wunsch, daß ihm noch einmal ein Sohn beschieden sei, um das Erbe zu bewahren, falls mir einmal etwas zustoßen sollte.«
    Was leicht geschehen kann, wie man sieht, dachte Peter bei sich.
    »Doch als hätte der Allmächtige der Verbindung seinen Segen verweigert, der ersehnte Erbe wollte und will bis heute nicht kommen. Vater fing bald wieder an zu frömmeln, und etwas schien ihn von Tag zu Tag mehr zu bedrücken. Schließlich glaubte er wohl gar, sich einer Verfehlung schuldig gemacht zu haben. Denn eines Tages erklärte er plötzlich, er und Birgit müßten für einige Zeit getrennt leben.«
    Peter dachte einen Augenblick lang an die Behauptungen von Agnes und den Marktweibern. Sie erschienen in diesem Licht betrachtet geradezu als gehässig und verleumderisch.
    »Unsere Familie besitzt ein Gut zu Reichertshausen unweit des Klosters Scheyern, und Birgit verbrachte dort wohl fast ein Jahr, ehe Vater sie wieder in die Stadt zurückrief. Mir scheint allerdings, daß sie seither nicht mehr das Lager teilen. Aber das ist Sache meines Vaters, und ich sollte wohl eigentlich nicht darüber reden.«
    Peter hatte während der Erzählung Ludwigs wiederholt auf das Schränkchen vor der Rückwand des Raumes gestarrt. Es schien seinen Blick fast magisch anzuziehen. Aber es war diesmal verschlossen. Peter konnte sich jedoch nicht der Nachfrage enthalten.
    »Verzeiht meine Neugier«, begann er vorsichtig. »Ihr spracht zuvor davon, daß Euer Vater zuweilen gar wunderlich gewesen sei. Dachtet Ihr dabei auch an Kräuter, Tinkturen und ähnliches?«
    »Wie kommt Ihr darauf?« antwortete der Befragte erstaunt.
    »Ich sah dies Schränkchen geöffnet« – Peter deutete darauf –»und darin manch wundersames Kraut. Ich fragte mich…«
    »Ach, Ihr meint das Sammelsurium an Wurzeln und Kräutern«, unterbrach ihn der Kaufmannssohn lachend. »Ich verstehe. Doch das ist einfach zu erklären. Es ist wie mit dem Geschäft. Mein Vater glaubt letztlich alles selbst in die Hand nehmen zu müssen. So vertraut er natürlich auch keinem der Ärzte

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