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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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meine bewaffneten Begleiter den Überfall wahr. In der allgemeinen Verwirrung war nicht einmal ein Feind auszumachen. Zwei oder drei meiner Reiter versuchten in das dichte Unterholz einzudringen, aus dem die Schüsse gekommen waren. Sie sahen in einiger Entfernung eben noch zwei finstere Gestalten davonhuschen, ehe ich sie zurückrief. Ich durfte die Wagen nicht ungeschützt lassen und vielleicht war es ja auch nur ein Trick, um die Bewaffneten wegzulocken und dann zuzuschlagen. Außerdem mußten wir zusehen, daß wir vor Einbruch der Dunkelheit München erreichten, und die Straße war durch die häufigen Regenfälle ziemlich aufgeweicht. Aber von da an blieb alles ruhig, und wir erreichten heil, zumindest weitgehend, die Stadt. Mehr kann ich Euch nicht berichten.«
    Peter verspürte etwas Enttäuschung und versuchte es weiter.
    »Demnach haben die Räuber nichts erbeutet?«
    »Keinen Pfifferling. Dabei hätte es sich weiß Gott gelohnt: Glaswaren und Gewürze aus Venedig, Silberschmuck und Tuche, Weine von den Hängen der Poebene und aus Tirol.«
    »Führtet Ihr denn irgend etwas mit Euch«, forschte Peter weiter, »an dem das Gesindel ganz besonderes Interesse gehabt haben könnte?«
    »Meines Wissens nicht«, erwiderte der Kaufmann. »Aber die gesamte Ware hätte in jedem Fall ein stolzes Sümmchen erbracht.«
    »Verzeiht, wenn ich so in Euch dringe!« bat Peter. »Aber wart Ihr möglicherweise im Besitz einer Botschaft oder eines – sagen wir – besonderen Wissens, dessentwegen es die Kerle auf Euch abgesehen haben könnten?«
    »Nein«, entgegnete der junge Pütrich erstaunt. »Meint Ihr vielleicht…«
    »Ich befürchte es sogar«, stellte Peter nüchtern fest. »Denn wenn die Strauchdiebe nicht bloß einfältig waren, dann galt der Anschlag sehr wahrscheinlich Euch.«
    »Ich kann es kaum glauben«, erwiderte der Kaufmann kopfschüttelnd. »Aber wenn es wirklich so ist, dann kann ich verstehen, warum die Kirche wiederholt die Armbrust verdammt hat: Damit sie nicht als heimtückisches Mordwerkzeug in die Hände des Pöbels gerät. Doch wer sollte schon an meinem Tod interessiert sein? Ich habe keinen Mächtigen betrogen und keines Mannes Weib verführt.« Das Lächeln schien diesmal etwas gequält.
    »Ich kann’s Euch nicht sagen«, bekannte Peter freimütig. »Habt Ihr Feinde?«
    »Welcher Kaufmann hat sich nicht dann und wann jemanden zum Feind gemacht? Aber deswegen gleich morden? Es könnte doch auch ein Zufall oder eine Verwechslung sein.«
    Peter schüttelte bestimmt den Kopf. »Zu seltsame Dinge geschehen in letzter Zeit, als daß ich an einen Zufall glauben möchte.«
    »Ja«, antwortete Ludwig Pütrich gedankenverloren. »Ich habe davon gehört. Aber was habe ich damit zu tun? Ich war seit der Schneeschmelze in Venetien und Tirol. Eine eigenartige Geschichte, das mit den Flößern.«
    »Da fällt mir ein«, griff Peter das Wort auf, »daß von einem gewissen Roland einmal die Rede war. Er könnte möglicherweise in dieser Sache eine Rolle spielen und wandte sich vielleicht einmal an Euch auf der Suche nach Arbeit.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Hünenhaft, sagt man. Und er soll in der Mundart der Tiroler sprechen.«
    »Nein«, versicherte Ludwig Pütrich bestimmt. »Bei mir steht zwar manch einer aus Tirol im Brot, aber einen Roland, auf den die Beschreibung paßte, kenne ich nicht.«
    Einen Augenblick lang trat beklemmendes Schweigen ein, das Pütrich als erster brach. »Laßt es gut sein! Ich lebe noch und erfreue mich beinahe bester Gesundheit. Was nützt das Grübeln. Es macht einen nur trübsinnig, und ein Kaufmann muß nach vorne blicken.«
    Er lachte herzlich und bat Peter, daß er doch ausnahmsweise die Pflicht des Gastgebers übernehmen und die Becher nachfüllen möge.
    Peter kam der Bitte gerne nach, und sie prosteten einander freundschaftlich zu, bevor der Kaufmann zögerlich dem Gespräch eine andere Richtung gab.
    »Es soll ja viel Unmut gegeben haben mit den Flößern in letzter Zeit… Ihr seid doch Ländpfleger, was ist denn Eure geschätzte Meinung hierzu?«
    Peter schilderte die Vorfälle aus seiner Sicht und soweit sie der Kaufmannssohn noch nicht kannte. Und er hielt auch nicht hinter dem Berg mit dem Vorwurf, daß der alte Pütrich sich überaus hartherzig verhalten und somit seinen Teil zur unglücklichen Entwicklung der Dinge beigetragen habe.
    »Oh, Ihr dürft ihn nicht vorschnell verurteilen!« wandte Ludwig Pütrich zur Verteidigung seines Vaters ein. »Wenn Ihr ihn besser

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