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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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und hält sie allesamt für eingebildete und unwissende Quacksalber. Das hat zur Folge, daß er auch meint, die Salben und Tinkturen fürs Gliederreißen und ähnliche Pein selber mischen zu müssen. Und vielleicht hat er zuletzt gar nach einem anderen Elixier gesucht.« Ludwig Pütrich grinste verschmitzt. »Nicht eben nach dem Stein der Weisen, mehr nach einem Elixier des Lebens, das Körpersäfte in Wallung und welke Stengel wieder zum Wachsen bringt.«
    Auch Peter grinste nun wissend, und in verschworener Eintracht stießen sie die Becher zusammen.
    »Nun hab’ ich Euch lange genug behelligt«, brachte Peter mit einer Geste der Entschuldigung zum Ausdruck.
    »Nicht doch!« wehrte Ludwig Pütrich ab. »Ihr habt einem Kranken in angenehmer Weise die Zeit vertrieben. Das ehrt Euch.«
    Peter erhob sich. »Habt Dank für das Gespräch. Und gute Genesung!«
    »Ich danke Euch. Es war angenehm mit Euch zu plaudern. Beehrt mich wieder, wenn es Euch genehm ist.«
    Als Peter aus dem Haus trat und eben noch überlegte, ob er den Weg durch die Rosengasse oder über den Rindermarkt wählen sollte, verließ das Haus gegenüber eiligen Schritts die junge Frau Pütrich. Auf halbem Weg erst schien sie Peter wahrzunehmen. Aber an ein Ausweichen, das dieser kurzfristig erwog, war nicht zu denken. So sehr ihm selbst die Röte ins Gesicht schoß, hatte er doch den Eindruck, daß Birgit Pütrich regelrecht erschrak. Sie erschien ihm fahrig, deutete erst zurück und dann auf die eigene Behausung und brachte irgend etwas hervor, das so klang wie »beim Schuster« und »neue Schlupfschuhe«. Sie hauchte entschuldigend einen Gruß und war ebenso rasch im Haus verschwunden, wie ein Dämon im Morgenlicht.
    »Merkwürdig«, murmelte Peter vor sich hin und ging gedankenverloren nach Hause.
    Des Abends hätte er seine Erkundigungen gerne mit Paul besprochen. Doch der kam zum einen sehr spät, da er ausgiebig mit den Töchtern der Venus gesündigt hatte, zum anderen war er viel mehr geneigt, die leiblichen Vorzüge der Hübscherinnen zu preisen, bis Peter unwirsch abwinkte: »Laß mich doch mit deinen Weibergeschichten in Ruhe!«
    Da schließlich tat Paul kund, daß er zwei eigenartige Beobachtungen gemacht und daß dies absolut nichts mit dem bescheidenen Quantum seiner durstlöschenden Getränke zu tun habe.
    »Stell dir vor, wen ich im Henkerhaus gesehen habe!« forderte Paul seinen Schützling mit stolzer Miene auf.
    »Sag schon, alter Saufkopf!«
    »Den Ludwig Pütrich.«
    »Welchen?«
    »Na, den Bruder des Alten.«
    »Ja, und?« Peter schien leicht verärgert über das Geschwätz. Schließlich galt der Besagte als alleinstehend, und es war keineswegs verwunderlich, daß er zu gewissen Zeiten gewisse Bedürfnisse befriedigte.
    »Nicht bei den Huren, du Schlaukopf!« erwiderte Paul entrüstet. »Gespielt hat er und die Würfel rollen lassen, daß dem Teufel schwindlig geworden war’. Und der Bußmeister – Pest und Hölle! –, der hätte die Einsätze nicht sehen dürfen.«
    »Soso.« Peter gab sich gelangweilt. »Dann warst du ja in bester Gesellschaft.«
    »Natürlich«, krähte Paul vergnügt, »und ich sage dir, der gute Mann wird mir zusehends angenehmer. Einer der spielt und ein Herz für gemeine Töchterlein hat, der kann nicht schlecht sein.«
    »Sonst noch was?« Peter war nicht in Stimmung, um die launigen Ausführungen des Freundes zu teilen.
    »Ja, sicher!« betonte Paul und gab sich den Anstrich großer Wichtigkeit.
    »Wie ich heimgeh’ und beim Pütrich vorbeimarschier’, kommt mir da doch sein junges Weib entgegen. Allein! Und um diese Zeit! Tztz. Und ich möchte wetten, daß sie aus dem Haus vom Rabenecker kam. Treibt’s wohl mit dem Schuster, das hübsche Luder!«
    Paul lachte schallend und brüllte durch den Schankraum: »He, Füss! Wo bist du, verdammter Schuhflicker? Ich muß dich was fragen.«
    »Halt bloß das Maul!« zischte Peter wütend und rammte ihm den Ellbogen in die Seite.
    »Bist du verrückt?« protestierte Paul. »Du hast vielleicht eine Stinklaune. Das hält ja nicht mal so ein Höllenfurzer aus mit dir.« Er packte entschlossen seinen Krug und trollte sich zu ein paar Flößern an deren Tisch.
    Peter war’s recht. So konnte er ungestört nachsinnen. Es war merkwürdig. Dieser Tag hatte sein Bild von der Familie Pütrich völlig ins Wanken gebracht. Der Alte hatte plötzlich ganz menschliche Züge bekommen. Die beiden Ludwigs, Sohn und Bruder, erschienen in angenehmem Lichte. Am unschärfsten trat

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