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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Zwölferrat die Erweiterung um den Äußeren Rat und die Gemein abgetrotzt. Das Klima in der Stadt aber sei für gehörige Zeit vergiftet gewesen, und die einen hätten Ludwig unterstützt, die anderen nach Rudolf geschrien.
    »Und Rudolf selbst?« erkundigte sich Peter.
    »Erst zog er sich schmollend zurück«, fuhr Orlos fort, »später verschwor er sich wieder mit den Habsburgern. Zumindest war Ludwig davon überzeugt, brach der Reihe nach die Burgen seiner Gegner und hob zuletzt Wolfratshausen aus, die Brutstätte des Verrats. Erst in den Februartagen des Jahres 1317 bahnte sich eine Versöhnung an, und Rudolf verzichtete weitgehend auf seine Herrschaft.«
    »Glaubt Ihr, er hat sich jetzt wieder verschworen?« forschte Paul.
    »Mag sein. Vielleicht handelt es sich auch nur um die offene Rechnung der Habsburger. Doch seid unbesorgt! Ludwig wird siegen.«
    »Was macht Euch so sicher?« fragte Peter skeptisch.
    »Die Zeichen«, versicherte Orlos. »Ich stimme mit den die Annalen schreibenden Klerikern überein, daß nur mit Blick auf die göttliche Ordnung und die Ewigkeit eine angemessene Beurteilung irdischen Geschehens erfolgen kann. Und so finden wir genügend Zeichen, daß dem Herrn die Hoffart der Habsburger mißfällt: Während ihrer Hochzeit wurden Schaulustige erdrückt und der Graf von Katzenellenbogen im Turnier getötet. Nach ihrem feigen Anschlag auf Landsberg schwoll die stille Wertach zur reißenden Sintflut an und drohte sie auszutilgen. Und bei Morgarten zerrieben die Schweizer Eidgenossen das Heer des hochmütigen Leopold. So strafte der Allmächtige das verblendete Haus Habsburg, und Ludwig wird mit seiner Hilfe siegen. Weit gefährlicher erschiene mir da ein erneuter Tumult unter den Bürgern.«
    »Wie dies?«
    »Nun, die Anhänger Rudolfs waren über dessen Verzicht damals maßlos enttäuscht, und alsbald ging das Gerücht, er sei nur unter Zwang zurückgetreten. Einige versuchten die Bürger aufzuwiegeln, und es kam gar zu einem bewaffneten Anschlag auf den Stadtrichter Konrad Diener. Die Mehrheit allerdings verurteilte die ruchlose Tat, und der Rat verhängte die Stadtacht über die Frevler, die von Ludwig besiegelt wurde.«
    »Ja«, bestätigte Paul, »ich habe selbst gesehen wie einige der Vornehmen und ihre Sippschaft ausgezogen sind, die Schluder und die Kray, der Otlein Teufelhart und wie sie alle hießen.«
    »Aber die Stadt zeigte sich nicht unversöhnlich«, erklärte der Schreiber, »denn obwohl der Bannspruch auf ewige Zeit und bis ins vierte Glied der Nachkommenschaft gelautet hatte, kamen die ersten schon nach Jahr und Tag wieder zurück, Heinrich Rabenecker zum Beispiel.«
    Die beiden Pfleger horchten auf. Paul pfiff durch die Zähne, und Peter fragte ungläubig nach: »Der Rabenecker?«
    »Ja, der vom Eckhaus beim Rindermarkt. Obwohl Ratsherr und Pfleger des Spitals, war er unter den Ausgewiesenen. Aber er hatte mächtige Fürsprecher und gegen die Buße von etlichen tausend Mauersteinen erlangte er wieder die Huld der Stadt. Man brachte ihm gar solches Vertrauen entgegen, daß er wenig später in den Äußeren Rat gewählt wurde und in dieser Sitzungsperiode das Amt des Steuerers bekleidet. Freilich stehen nicht alle hinter ihm.«
    »Verständlich«, murmelte Peter, und Paul schüttelte nur den Kopf.
    Sie hatten genug gehört, aber Peter fragte Konrad Orlos noch nach dem tieferen Grund für den Streit der fürstlichen Brüder. Das Thema lag ihm sehr am Herzen.
    »Ei, was soll ich sagen?« wand sich der Schreiber ein wenig. »Ist es nicht eine uralte Geschichte, daß der Neid und das Habenwollen die Menschen ins Unglück stürzen? Eva war neidisch auf Gott und wollte vom Baum der Erkenntnis kosten. Kain war neidisch auf Abel, und wo zwei Ehrgeizige aufeinanderfolgen, da befürchtet für gewöhnlich der eine, daß ihm der Nachgeborene etwas wegnehmen will und dieser wiederum argwöhnt, daß der Erste ihm etwas vorenthält und ihn betrügt. Doch ich denke, es gibt noch einen anderen Grund. Jakob konnte seinem Zwillingsbruder Esau nur mit Mutters Hilfe das Erstgeborenenrecht abschwatzen. In Wahrheit hat also Rebecca ihren Mann Isaak betrogen. Und heutzutage? Ludwig der Strenge war ja lange Zeit den Habsburgern herzlich zugetan und wandte sich erst in seinen letzten Jahren den Nassauern zu. Rudolf verfolgte diese Linie des Vaters weiter. Der junge Ludwig hingegen stand ganz unter dem Einfluß seiner Mutter, die kein Stäubchen auf der Würde Habsburgs sehen wollte. Da habt Ihr doch

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