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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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in Wahrheit die Unstimmigkeiten der Alten, und die Jungen schnäbeln nur noch nach.«
    »Aber Rudolf steht jetzt wieder im Lager der Habsburger, während Ludwig gegen sie rüstet«, wandte Paul verwirrt ein.
    »Ihr müßt es wie ein Gleichnis sehen«, fegte der geschichtskundige Schreiber den Einwand vom Tisch. »Meine persönliche Meinung ist vielmehr, daß die Hoffart der Anfang allen Übels ist. Wo aber findet Ihr dies Laster in reinster Ausprägung, wenn nicht unter den Weibern. Mit ihnen kam das Übel in die Welt. Evas Anmaßung führte zur Vertreibung aus dem Paradies, Salome verlangte in ihrem Übermut den Kopf des Täufers, und die eitle Zwietracht von Kriemhild und Brunhild führte den Untergang des Burgundervolks herbei. In unseren Tagen sind es Mechthild und Mechthild, die von Ehrgeiz zerfressen so viel Leid über das Volk bringen. Erst stiftete die Mutter Unfrieden zwischen den Söhnen, stritt mit dem Ältesten und machte ihm die Regierung streitig. Jetzt ist es des Rudolfs Weib, das verderblichen Einfluß auf ihn nimmt. Sie kann nicht verwinden, daß nicht sie auf dem Thron sitzt, hetzt wegen ein paar Burgen wider den Frieden, und es sollte mich nicht wundern, wenn sie gegen ihren Schwager etwas im Schilde führt. Glaubt mir, es sind die List und der Haß dieser Weiber, die ein Gutteil Schuld an den Übeln unserer Zeit tragen. Ich halte es daher mit dem Apostel Paulus, der gefordert hat, daß das Weib in der Gemeinde schweige und daß keine Frau über einen Mann herrsche.«
    Ehe der Notarius nun noch zu einem Monolog über Freud und Leid Justifias anheben konnte, drängten die beiden Pfleger auf Abschied. Denn schon geriet Orlos ins Schwärmen, als habe er eben eine Vision.
    »Ah, Bologna, Heimat des Rechts! In wenigen Wochen werde ich mich an deinen sprudelnden Quellen gelehrter Dekrete laben und von der Weisheit Gratians und der Klarheit des Irnerius trinken, und ich werde wiederkehren als Doctor iuris utriusque, als Doktor beider Rechte.«
    »Ihr wollt nach Bologna?« fragte Peter, schon unter der Türe, interessiert.
    »So ist es«, bekannte der Schreiber freudig. »Ich will mich im kanonischen Recht weiterbilden, aber auch das römische studieren.«
    »Dann viel Glück in Bologna und gebt gut acht!«
    »Worauf?«
    »Die Fakultät der Juristen soll sich dort einen Dreck scheren um den Einfluß der göttlichen Ordnung auf die Historie, eher schon um den Einfluß der Gestirne. Und was die Paulinischen Ansichten betrifft, so kommen auf jeden Studiosus drei willige und geile Mägde.«
    »Ihr wart dort?« fragte der Kleriker Orlos mit einer Mischung aus Neugier und Entsetzen.
    »Leider nein«, gab Peter zu. »Ich kannte mal einen, doch der wäre Euch gewiß kein frommender Begleiter.«
    Kaum hatten die beiden Pfleger die Schreibstube und einen verdutzten Konrad Orlos hinter sich gelassen, da konnte Paul das Lachen nicht mehr halten.
    »Du bist mir vielleicht einer! Den armen Klerikus so zu verunsichern.«
    »Ach was«, entgegnete Peter ungerührt, »der hat doch nur die niederen Weihen, und außerdem täte es dem Bücherwurm ganz gut, wenn ihn ein richtiges Weib aus Fleisch und Blut einmal zwischen die Schenkel nähme.«
    Paul war für den Moment eines Atemzugs sprachlos, dann schlug er seinem Begleiter wie ein Fuhrknecht auf den Rücken und bog sich vor Lachen.
    »Das sagt mir der rechte! Petrus, Petrus, mir graut vor dir!«
    Als sie dem Maenhartbräu schon nahe waren, bemerkte Paul unvermittelt: »Sie geht dir schon ab, nicht? Soll ich ein gutes Wort…«
    »Gar nichts wirst du!« blockte Peter energisch ab, doch in seinen Augen war unschwer zu lesen, wie sehr sie ihm fehlte.
    Agnes hatte an diesem Abend viel zu tun, und mehr als ein paar kurze, freundliche Worte kamen nicht zustande. Um der Betrachtung seines eigenen Gemütszustandes aus dem Weg zu gehen, stellte Peter Überlegungen zu Konrad Dieners Seelenleben an.
    »Mir ist jetzt klar, warum sich der Richter so seltsam verhält. Der Überfall auf ihn sitzt tief. Glaub mir! Darum stellt er wie ein Igel die Stacheln auf, wenn er seine Autorität in Gefahr sieht.«
    »So?« gab Paul nur gelangweilt zurück, war dafür aber auf dem Nachhauseweg ziemlich streitsüchtig. Nicht gegen Peter gerichtet, sondern gegen den Rat und die Justiz.
    »Wie find’ ich denn das?« schimpfte er, »den Jakob, das arme Schwein, haben die feinen Herren ausgestoßen, obwohl er gar nichts dafür könnt’. Und wenn so ein Flößer gegen die Stadtacht verstößt, dann soll er

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