Der Wachsmann
denn es wird gar viel Schindluder damit getrieben. Mit dem Siegel des Königs aber könnt Ihr noch in der Hölle ein-und ausgehen.«
»Dazu bedarf es keines Siegels«, bemerkte Peter trocken.
»Äh, ja… Aber Ihr versteht nun«, griff der Richter das Thema noch einmal auf, »welcher Mißbrauch in unrechten Händen damit möglich ist. Nicht umsonst wird es streng behütet, und auf Fälschung steht der Tod. Aber Ihr sagtet doch, dieser Bursche – wie heißt er noch…?«
»Perchtold.«
»Richtig. Ihr sagtet, er habe die Kerle in der Scheune belauscht. Hat er nicht diesbezüglich etwas aufgeschnappt?«
»Nichts, was mir wichtig erscheint. Er sagte, sie hätten sich gestritten um Geld und andere Dinge, von denen er nichts verstanden habe oder die ihn nicht interessiert hätten. Und zuletzt sei er vor Angst fast gestorben.« Peter schmunzelte, als er sich an Perchtolds Flucht aus der Scheune erinnerte. »Ach ja, dann sagte er noch etwas von einer Botschaft, die einer von den beiden verloren habe und von einem Ort namens Auburg oder so ähnlich. Ich vermute, er hat Augsburg damit gemeint.«
»Augsburg?« wiederholte der Richter und strich sich nachdenklich übers Kinn. »Rudolf soll während der Auseinandersetzungen noch versucht haben, die Stadt auf seine Seite zu ziehen. Doch bislang hielt sie treu zu Ludwig. Stellt Euch nur einmal vor, das Siegel geriete in die Hände der Österreicher und die stünden plötzlich vor Augsburg. Wenn nun einer eine Botschaft des Königs fälschte mit dem Inhalt, daß Ludwig die Stadt von ihrer Treue entbinde und zur Übergabe rate, um sie vor Zerstörung zu bewahren, und der gewitzte Fälscher hinge das Siegel daran… nicht auszudenken. Die Mehrheit der Pfeffersäcke würde die Übergabe allemal begrüßen und einem Kampf vorziehen.«
»Glaubt Ihr, die Kerle hatten solch Schurkerei im Auge?«
»Wer weiß? Jedenfalls sind habsburgische Besitztümer und Gesinnungsgenossen der Reichsstadt näher als unser München. Und wo Vorteil und Gewinn winken, da gilt Treue oft nicht viel.«
»Meint Ihr, der Rabenecker hat damit zu tun?«
»Schwer zu sagen. Wir wissen ja nicht einmal bestimmt, ob das Gesindel in der Scheune mit ihm zu tun hatte. Zuzutrauen wär’s ihm. Aber diesmal geht es um seinen Kopf.«
»Der eine von beiden, der Dicke, der war auch bei der Entführung dabei. Perchtold hat ihn todsicher erkannt. Und die Mühle betreibt doch schließlich der Rabenecker«, führte Peter mit Überzeugung an.
»Ihr habt aber auch berichtet, daß die Mühle seit längerem außer Betrieb sei. Da ist vieles möglich.«
»Aber er lügt doch!« rief Peter fast trotzig.
»Mich würde es mehr verwundern, wenn er es nicht täte«, entgegnete der Richter ruhig. »Doch selbst wenn Ihr und ich uns ganz sicher sind, wie ist es zu beweisen? Ich sähe den Kerl gern vorm Henker. Aber ohne erdrückenden Beweis wird er nichts gestehen, und ohne Geständnis gibt es kein Urteil. Es sei denn, einer wird gleich auf frischer Tat ertappt.«
»Aber ich bin sicher, daß der Dicke auch bei dem Überfall auf mich die Hand im Spiel hatte. Da ging es auch um das verfluchte Siegel, und den Perchtold haben sie nur deshalb entführt.«
»Habt Ihr mit den Schurken darüber verhandelt?«
»Das nicht«, räumte Peter verblüfft ein. »Aber der Perchtold hat es hinterher so geschildert.«
»Oje!« seufzte der Richter. »Das reicht nicht, guter Mann. Der Rabenecker ist Kaufmann. Er handelt meines Wissens mit Tirol. Er hat ein Fuhrunternehmen, und er lieferte der Stadt lange Zeit Bauholz und Kalk für den Mauerbau. Selbst wenn also er oder einer seiner Leute auffallend häufig auf der Straße gen Süden, bei dieser Mühle oder in der Nähe irgendwelcher Überfälle oder Gaunereien anzutreffen wären, ließe sich damit allein noch nichts beweisen. Wir müßten ihm schon irgendeine Falle stellen.«
»Meint Ihr denn, der Rabenecker hat auch etwas mit den Morden zu tun?«
»Daß er nicht vor Gewalt und Bluttat zurückschreckt, das hat er ja bewiesen. Aber ich finde kein rechtes Motiv. Was hatte er mit dem Peitinger oder diesem Leonhart zu schaffen? Gut, vielleicht gab es einmal Streit an der Lände. Aber deswegen Mord? Am ehesten leuchtete mir noch der Mord an diesem Jakob Krinner ein, wenn man gleichzeitig annähme, der Rabenecker habe auch etwas mit den Überfällen zu tun gehabt, zumindest mit dem auf den Flößer. Andererseits halte ich das für ausgeschlossen.«
»Wieso?« fragte Peter erstaunt.
»Glaubt Ihr etwa,
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