Der Waechter
für den menschlichen Körper ist, habe ich versucht, etwas Gesandtenenergie an ein kleines Stück meines Fragmentes zu binden, sodass es einem menschlichen Körper nicht schadet. Das ist damit geschehen. Mit dem Wissen meines Fragments, was zu tun ist, und der Stärke der Gesandten drang die Energie in Konrad ein, belebte ihn, und schlüpfte wieder brav in das Gefäß zurück. Ein gelungenes, wenn auch nicht ungefährliches, Experiment.»
Aaron sah Jenny mit gütigen Augen an. Sie konnte nur staunen über diese einmalige Form der Wiederbelebung und die Möglichkeiten, die einem die Seelenenergie eröffnete.
«Dann sind die Gesandten uns doch behilflich und nicht ganz unparteiisch?», stellte sie fest.
«Doch, das sind sie. Beides: behilflich und unparteiisch. Auch die Dunklen sind mit den Gesandten verbunden, auch ihre Bitten werden von den Gesandten vernommen und zum Besten des Fragmentes unterstützt. Aber die Dunklen nutzen diese Möglichkeit so gut wie nie. Ein Animus wird in der Regel ein Schattenträger, weil sein Fragment, das im Grunde gütig und liebevoll ist, von seinem menschlichen Willen und Verstand eingenommen wird. Seinem Bewusstsein geht die Sehnsucht nach der Quelle und der Geborgenheit der Gemeinschaft größtenteils ab. Also wird er seinen Draht zu den Gesandten nie voll ausschöpfen. In seinem Bewusstsein spielt deren Existenz keine entscheidende Rolle.»
Das leuchtete Jenny ein.
«Und wie sieht es aus mit der Prophezeiung? Ist sie nun erfüllt? Und woher wissen wir das?»
«Nun, sie hat sich bewahrheitet und wir wissen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden», antwortete Aaron. «Auch wenn du die Prophezeiung schon kennst», Aaron blinzelte wissend, «werde ich sie noch einmal zitieren.» Er machte eine wirkungsvolle Pause und holte tief Luft. «Und es wird die Zeit sein, etwa zehn Jahre nach der Jahrtausendwende, da ein weiblicher Humānimus einst ein Teil von zweien, des Sehens und der Zeit mächtig, in der Lage sein wird, einer Seite zur Übermacht zu verhelfen. Und es wird sein dieser Humānimus und sein anderer Teil, der allen Widrigkeiten zum Trotz, Vorrang gebieten wird, dem weißen Licht der Erde.» Aaron sang es fast.
Jenny war vom Klang der Worte verzaubert, wie damals in der Ratssitzung.
«Du weißt, dass wir von Anfang an überzeugt davon waren, dass du dieser weibliche Humānimus bist. Hauptmann war der gefürchtete Dunkle. Alle, die heute an der Schlacht teilgenommen haben, beschwören, dass sie ohne dich und Konrad niemals gewonnen, geschweige denn Hauptmann besiegt hätten. Wir sind nun in der Übermacht. Die Prophezeiung ist erfüllt.» Aaron lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück.
«Und was ist das mit dem anderen Teil ?», fragte Jenny.
« Einst ein Teil von zweien heißt es, weil dein Animusfragment der Teil eines größeren Animusfragmentes ist, welches einst in zwei geteilt wurde. Du hast mit deinem anderen Teil dem weißen Licht – also uns – zum Sieg verholfen. Und die Widrigkeiten , gegen die ihr beiden ankämpfen musstet, habt ihr auch gemeistert.»
«Konrad!», rief Jenny. «Er ist der andere Teil.»
Aaron nickte. «Ganz genau! Wir haben es schon geahnt, als er dich damals aufgespürt hat. Und dann, als er eine weitere Aktivierung erlebte.»
«Aber wie ist das möglich? Ein Fragment ist doch schon ein Teil von einem großen Ganzen.»
Aaron räusperte sich. «In ganz seltenen Fällen gibt sich ein Fragment nicht im Ganzen der Beseelung hin. Es belässt einen Teil von sich in der Quelle, so bleibt eine stärkere Verbindung zu ihr bestehen. Der Teil dieses Fragments wird aber immer ein Teil von ihm bleiben und sich von ihm angezogen fühlen. Bei der Rückkehr des Fragments in die Quelle wird es sich zunächst mit dem anderen Teil seines Selbst verbinden. Dein Fragment ist der Teil von Konrads Fragment, das es einst in der Quelle zurückgelassen hat, das später doch noch zur Beseelung eines Menschen überging. Möglicherweise, weil sein anderer Teil es auf der Erde brauchte?»
Das erklärte einfach alles. Vor allem warum sie Konrad so sehr liebte und warum er sie auch lieben musste.
«Aber wenn ihr das geahnt habt, wieso habt ihr uns dann zu trennen versucht?»
«Dass wir eure Gefühle füreinander als Problem ansahen, weißt du bereits. Wir haben das Für und Wider lange abgewogen. Die Meinungen gingen auseinander. Dafür euch zu trennen sprach insbesondere, dass es noch nicht sicher war, für welche Seite du dich entscheiden würdest. Es
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