Der Waechter
wieder nach Hause fahren konnte. Der Bund war einfach perfekt organisiert. Jenny war nie alleine gewesen, selbst als sie geglaubt hatte, allein zu sein. Die größte Überraschung war jedoch, dass Frau Kümel, ihre Klassenlehrerin auftauchte und freundschaftlich die Hand auf Jennys Schulter legte.
«Es tut mir leid, dass ich es nicht bemerkt habe. Jeden Tag hab ich mit Hauptmann gesprochen.»
Es war Frau Kümel anzusehen, dass sie sich Vorwürfe machte.
«Das ging uns doch allen so, Frau Kümel. Er war gesegnet mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, eine davon war es, sich bis zur Unbemerkbarkeit abzuschirmen. Wie hätte er sonst so mächtig werden können?», versuchte Jenny zu trösten.
Frau Kümel nickte ihr dankbar zu.
«Und im Übrigen haben sie sich auch nicht schlecht getarnt. Ich habe schon seit drei Jahren Latein bei ihnen.»
Gemeinsam lachten sie.
Aaron erhob sich von seinem Stuhl und sagte: «Heißen wir unser neuestes Bundmitglied herzlich willkommen», anerkennend nickte er Jenny zu.
Lautes Klatschen folgte.
«Natürlich werden wir Jennys Einstand noch gebührend feiern und mit ihrer Unterschrift im Weißen Buch besiegeln, aber für heute sollten wir Schluss machen. Es war ein anstrengender Tag für euch alle und ihr solltet nach Hause zurück, zu euren Familien», verkündete Aaron.
Jenny sah zur Uhr an der Wand über der Esszimmertür. Es war fast sieben.
«Nun zu dem Fläschchen, meine Liebe. Ich denke es brennt dir am meisten unter den Nägeln?»
Aaron sah Jenny durchdringend an, nachdem nur noch die engsten Vertrauten um sie herum waren.
Jenny nickte, korrigierte sich dann aber: «Es gibt ganz viele Dinge, die ich wissen will, aber für den Anfang tut’s auch erst mal das.»
Aaron schmunzelte.
«Du weißt um meine Fähigkeiten, oder?», fragte er.
«Ein bisschen. Du kannst dich an das rein energetische Dasein und die Quelle erinnern», sagte Jenny zögernd.
Aaron nickte. «Dazu kommt, dass ich in sehr engem Kontakt zu den Gesandten stehe. Auf eine andere Art als Ruth und Jael zum Beispiel, die ihre Heilkräfte von den Gesandten empfangen und an euch weitergeben. Oder auch anders als du. Deine Verbindung zu den Gesandten ermöglicht dir Dinge zu sehen, die sie dich sehen lassen wollen. Oder auch ihren Ruf zu vernehmen und ihm zu folgen. Eine ganz besondere Gabe, die selbst ich nicht besitze. Verbunden sind wir alle mit den Gesandten, nur sind wir Humānimi uns in unterschiedlichem Maße des Drahtes bewusst. Ich bin mir zu jeder Zeit der Gegenwart der Gesandten bewusst. Ich kommuniziere mit ihnen über meine Gedanken. Das heißt aber nicht, dass ich alles erfahre. Denn es gibt Dinge, die sie nicht in Worte fassen können, damit ich sie mit meinem menschlichen Verstand richtig deuten kann. Dafür bist du jetzt da, und kannst sehen , was sie uns mitteilen wollen. Meine Aufgabe ist und war es immer, das Wissen über unseren Ursprung beizubehalten und weiterzugeben. Das ist auch ein Grund, warum du mich heute bei der großen Schlacht nicht gesehen hast: Ich bin zu alt zum Kämpfen, ich kann nicht heilen, und wenn ich gezwungen bin zu fliegen, bekomme ich schreckliche Rückenschmerzen. Aber was ich kann, ist mich ganz und gar mit den Gesandten zu verbinden. Mein Fragment verlässt dann den Körper, aber nicht um umherzureisen wie deines, sondern um eins zu werden mit den Gesandten. Sie speisen mich mit ihrem Wissen und ihrer Energie und lassen mich dann wieder in meinen Köper zurückkehren. Da du schon einem Ruf gefolgt bist, kannst du dir sicher sehr gut vorstellen, wie es sein muss. Das Wissen, das ich erhalte, ist aber im körperlichen Zustand und mit dem menschlichen Verstand nicht so leicht in irdische Worte zu fassen, weshalb ich mich oft mit Bildnissen und Fluten von Poesie ausdrücken muss. Das endet nicht selten in einer Prophezeiung. Aber kommen wir zu dem Gefäß. Ein Teil meiner Fähigkeit besteht darin, im fragmentalen Zustand ein Stück meines Seelenfragmentes abzuspalten. Das tue ich zum Beispiel, wenn ich einen Teil in der Verbindung mit den Gesandten belassen will. Er wird dort mit Ruhe und Güte genährt und später hole ich ihn mir wieder zurück, damit er den Rest meines Seelenkörpers auffüllt. So spare ich viel Zeit. Manchmal kann das nützlich sein.» Aaron zwinkerte. «Jedenfalls hatte ich im Innern ein Wissen, dass etwas passieren würde, wobei du so viel Energie benötigen würdest, wie du selbst nicht aufbringen kannst. Und da die Energie der Gesandten zu stark
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