Der Waechter
bei Stefanie Bergmann zu erfüllen hatte? Oder war das nur ein Manöver, um ihn von mir fernzuhalten?»
Während des Sprechens merkte sie, wie ihr ein Kloß den Hals hinauf kroch. Es tat immer noch weh, daran zurückzudenken.
Samuel sah Aaron fragend an. Erst als der zustimmend nickte, antwortete er.
«Nein, es war kein Manöver. Wir haben den Verdacht, dass Stefanies Vater ein mächtiger Dunkler ist. Er ist ein sehr einflussreicher und wohlhabender Mann. Wir haben mehrere zuverlässige Hinweise erhalten. Konrad war darauf angesetzt eine gewisse Nähe zur Familie herzustellen, um ihn im Auge zu behalten und weitere Beweise einzuholen. Eva wäre auch dafür infrage gekommen. Es stellte sich nur heraus, dass Stefanie Eva nicht ausstehen kann.»
Jenny sah in die Runde am Tisch.
«Und ihr habt nicht eine Sekunde dabei an uns gedacht? Daran, wie mich das verletzten würde? Und daran, wie schwer es ihm fallen könnte?»
Cynthia lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und warf einen ebenso vorwurfsvollen Blick auf einige der Ratsmitglieder.
Aaron blickte betroffen nach unten.
«Natürlich haben wir das », sagte er, « aber wir mussten eine Entscheidung treffen und Konrad schien uns der beste Mann dafür zu sein. Zumal er sowieso als dein Wächter abgelöst werden sollte, irrtümlicherweise.»
«Alles für den Bund, nicht wahr?», sagte Jenny anklagend. «Das ist es was mich als Bundmitglied erwartet? Treue Ergebenheit, ohne Rücksicht auf Verluste?»
«Na, du wirst doch nicht am Bund zweifeln, Kleine! Wie kommst du denn dazu?», polterte Arthur ironisch dazwischen.
Sicher war das genau die Einstellung, die Arthur einen Platz im Rat verwehrt hatte. Scheinbar hatte auch er schon am Bund gezweifelt und tat es vielleicht das ein oder andere Mal immer noch.
«Nein, nein, Liebes», mischte Ruth sich ein. «Es gibt nun mal unangenehme Entscheidungen, die der Bund treffen muss. Leider kann ein Kollektiv nie jedem Einzelnen gerecht werden. Dafür gibt es wiederum viele unbeschreiblich schöne Dinge, die einem durch den Bund widerfahren.» Ruth sagte es aus voller Überzeugung und Jenny wusste, dass es stimmte.
Aber war sie irgendwann auch in der Lage alles widerspruchslos für Gut zu befinden und auszuführen, was der Bund anordnete?
«Es braucht Zeit, Jenny», sagte Cynthia. «Wir haben das alle durchgemacht. Und irgendwann kommt der Tag, da du dir sicher bist mit allem klarzukommen, auch wenn es deinem eigenen Empfinden widerstreben sollte.»
«Ich denke, es ist Zeit nach Hause zu gehen, Jenny. Wir wollen doch nicht, dass dein Training wegen Hausarrestes ausfällt, oder?», mischte Benedict sich ein.
«Das Training geht also weiter?»
«Natürlich! Oder hast du etwa gedacht, du könntest dich auf die faule Haut legen?» Arthur versuchte ein ernstes Gesicht zu machen, aber an seinen warm funkelnden Augen war zu sehen, dass es ihm schwerfiel.
«Eins wär da noch», sagte Jenny und gespannte Blicke waren auf sie gerichtet. «Jetzt wo die große Gefahr gebannt ist: Dürfen Konrad und ich zusammen sein? Ich meine, auch wenn er mein Wächter ist und ich noch nicht ganz ausgereift bin? Selbst wenn wir mal einen Moment unaufmerksam sind, ist es für die übriggebliebenen Dunklen doch schwer an uns dranzukommen, solange wir beieinander sind, oder?»
Cynthia nickte zustimmend vor sich hin. Ruth sah zu Aaron. Alle sahen zu Aaron.
«Nun», begann er. «Ich denke, dass wir das Abkommen etwas lockern könnten.»
Dann zwinkerte er ihr verschwörerisch zu.
Konrad schlief noch immer den Schlaf der Gerechten, als Jenny zu ihm zurückkehrte. Sie konnte nicht anders, als eine Weile vor dem Bett stehen zu bleiben und ihn ausgiebig zu betrachten. Sie liebte ihn so sehr, dass es schmerzte. Niemals würde sie ihn aufgeben. Sie setzte sich zu ihm an den Bettrand und ließ sich an seine Seite gleiten, dann hob sie seinen Arm und kroch darunter durch, an seine Brust. Tief atmete sie seinen Duft ein und schloss die Augen.
Jenny sieht sich auf der Couch liegen. In ihrem Gummibären-Schlafanzug. Sie schläft erschöpft. Noch immer haften Schmerz und Enttäuschung an ihr. Sie betrachtet sich näher, wie ihr Atem regelmäßig hinein und heraus flutet. Dann schaut sie an sich herunter. Sie trägt Konrads Kleider! Streckt seine Hände nach sich auf der Couch aus. Sie haftet an ihm. Spürt seine Traurigkeit, seine Sehnsucht nach ihr. Konrad umfasst sie, hebt sie von der Couch hoch, trägt sie in ihr Bett. Auf dem Weg dahin
Weitere Kostenlose Bücher