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Der Waechter

Der Waechter

Titel: Der Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Snyder
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zum Ende der Pause hatten sich Jennys Sehprobleme gegeben. Gerade setzte sie dazu an, die erste Stufe der Treppe von der Vorhalle nach oben zu nehmen, als ihr jemand von hinten auf die Schulter tippte.
    Rene!
    Jennys Herz begann zu flattern wie eine Handvoll Schmetterlinge unter einer Glasglocke.
    « Hi Jennifer, du hast wohl heute Geburtstag, hm? », Rene lächelte sie mit seinem unverwechselbaren verlieb-dich-in-mich-und-komm-nie-wieder-von-mir-los-Lächeln an.
    Ja.
    Sie nickte stumm. Wie ein warmer Sonnenaufgang stieg ihr die Röte ins Gesicht. Der Neue blieb hinter Rene stehen und beobachtete die beiden mindestens genauso gespannt wie Nina.
    « Ich wünsch dir alles Gute », sagte Rene und zwinkerte ihr zu.
    Danke!
    Jenny nickte stumm und kniff verlegen die Lippen zusammen. Sag was, Idiotin!
    Doch mehr als ein gepresstes Grinsen gelang ihr nicht.

    « Meine Güte! » Nina lachte schallend, als Rene außer Sichtweite war. « Du hättest dich mal sehen sollen. Dieses dümmliche Grinsen. » Sie klatschte sich amüsiert auf die Schenkel. « Irgendwie süß. »
    Jenny schlug die Hände vors Gesicht. « Wie peinlich war das denn? Er muss mich für einen kompletten Volltrottel halten. »
    « Oder für stumm! » Nina kriegte sich nicht mehr ein. « Wie kann jemand, der sonst so eine große Klappe hat, plötzlich so still sein? Und angeglotzt hast du ihn! Wie einen riesengroßen Schokoeisbecher. »
    Jenny wedelte sich mit der Hand Luft zu. « Du sagst es. Und ich hätte so was von gezischt, sag ich dir. Ich bin eine wandelnde Glühkohle! »
    Nina stieß Jenny mit der Fingerspitze an und machte ein Zischgeräusch. Lachend fiel Jenny ihr um den Hals, dann hüpfte sie kichernd und innerlich jubelnd davon.
    Rene ist zu mir gekommen. Nicht ich zu ihm. Tor!
    Das war einmalig in der Jenny-ist-unsterblich-in-Rene-verliebt-Historie.

    Eine halbe Stunde später kamen die Kopfschmerzen. Sie gingen einher mit Übelkeit und einem abrupten Stimmungswechsel von überglücklich zu zerquetscht wie eine Laus. Jenny schloss die Augen. Auf einmal kehrte die Angst und Verlorenheit aus ihrem Traum zurück, die Sorge um ihr Kind, der silberne Wagen steuerte auf sie zu, der blaue Blitz schoss an ihr vorbei. Dann hörten die Schmerzen ebenso plötzlich auf, wie sie gekommen waren.
    Ich brauch Zucker!
    Ein Kakao vom Hausmeister musste her, da kam das Klingeln zur kleinen Pause genau richtig. Jenny ging die Treppen hinunter und sah direkt in Renes Klassenzimmer.
    « Hey Konrad, wenn du willst, zeig ich dir, wo der Hausmeister ist », rief Yvonne dem Neuen zu.
    Der stand auf, nahm seinen Mantel von der Stuhllehne und zog ihn sich über. « Nein danke », sagte er beim Vorbeilaufen.
    Jenny quiekte innerlich vor Freude.
    Lästerbacke Yvonne biedert sich an und der Neue lässt sie abblitzen. Sympathischer Bursche!
    Doch das sollte sich im nächsten Moment ändern.
    Geradewegs kam er in Jennys Richtung und blickte zu ihr die Stufen hinauf. So plötzlich, dass Jenny keine Zeit mehr hatte wegzuschauen. Mit seinem Blick fixierte er sie, als wolle er sie festnageln. Wie erstarrt blieb sie auf den Stufen stehen. Seine Augen waren blassblau und funkelten so durchdringend hell, hinter dichten, dunklen Wimpern hervor, dass Jenny für einen Moment die Luft anhielt. Sie konnte nicht wegschauen. Es war, als hätte er ihre Augen wie mit Fühlern umgriffen und bahne sich damit den Weg bis zu ihrem Grund. Sie spürte einen seltsamen Druck im Bauch. Für eine Sekunde war ihr, als wisse er alles über sie. An der Treppe angekommen, blickte der Neue die Stufen hinab und gab Jenny frei. Zögernd ging sie weiter, unmittelbar hinter ihm. Sie konnte ihn riechen, frisch und irgendwie sauber.
    Mh!
    Sie wurde langsamer, um etwas Abstand zu ihm zu bekommen. Seine Nähe überforderte sie auf merkwürdige Weise.
    Als der Neue im Erdgeschoss ankam, sprach er einen Jungen an, der gerade mit seinen Kameraden rumalberte: « Wo find ich den Hausmeister? » Der Junge verstummte, sah mit großen Augen zu ihm auf und deutete wortlos mit dem Finger nach rechts.
    Jenny ging durch die Erdgeschosshalle. Am anderen Ende drehte sie sich um, und als sie den Neuen wieder die Treppe hinaufgehen sah, schlenderte sie zurück, um ihren Kakao zu kaufen.
    Unverschämtheit, mich so anzustarren . Was fällt dem ein?
    Komischerweise war sie sauer, fühlte sich von seinem durchdringenden Blick entblößt.
    Ach quatsch nicht! Er hat dich nicht angestarrt, du hast dich nur in seiner Blickrichtung befunden.

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