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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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Frau
vor einem Mann scheuen kann, den sie zu heftig und zu plötzlich begehrt. Lewis’
Lächeln verschwand, als er sie sah. Er haßte Unbekannte. Ich stellte ihn
liebenswürdig vor, und Louella setzte augenblicklich alle ihre Waffen ein.
    Sie war weder einfältig noch ein
Gelegenheitsvamp. Sie war zudem eine Frau, die wußte, was sie wollte, weltgewandt
und erfahren. Nicht eine Sekunde lang versuchte sie, Lewis zu blenden oder auch
nur zu erregen. Vom ersten Augenblick an machte sie sich den Stil des Hauses zu
eigen, sprach über den Wagen, nahm mit lässiger Hand einen Scotch entgegen,
fragte zerstreut nach Lewis’ Plänen, kurz, eine liebenswürdige, umgängliche
Dame. Sie war nichts von alledem (das war nur Hollywood). Ein Blick, den sie
mir zuwarf, sagte mir, daß sie Lewis für meinen Liebhaber hielt und daß sie
beschlossen hatte, ihn mir auszuspannen. Ein bißchen viel, nach dem armen
Frank, aber schließlich... Ich gestehe, daß ich mich ein wenig ärgerte. Daß sie
sich mit Lewis amüsierte, ging noch an, aber daß sie sich in diesem Augenblick
über mich lustig machte... Schrecklich, die Eitelkeit und die Dummheiten, zu
denen sie verleitet. Zum erstenmal seit sechs Monaten erlaubte ich mir eine
besitzergreifende Geste gegenüber Lewis. Er saß auf dem Boden und beobachtete
uns, ohne viel zu sagen. Ich streckte ihm die Hand entgegen.
    »Lehnen Sie sich an meinen Sessel,
Lewis, sonst bekommen Sie noch Kreuzschmerzen.«
    Er lehnte sich an meinen Sessel, und
ich fuhr ihm mit der Hand ins Haar. Sogleich legte er mit plötzlicher
Heftigkeit den Kopf auf meine Knie zurück. Er hielt die Augen geschlossen,
lächelte mit vollkommen glücklicher Miene, und ich zog meine Hand aus seinen
Haaren zurück, als hätte ich mich verbrannt. Louella war blaß geworden, aber
das bereitete mir nun nicht die geringste Genugtuung. Ich schämte mich.
    Louella setzte das Gespräch
nichtsdestoweniger noch eine Weile fort — mit einer Kaltblütigkeit, die um so
mehr Bewunderung verdiente, als Lewis den Kopf nicht von meinen Knien hob und
der Unterhaltung offensichtlich nicht das geringste Interesse abgewann. Wir
stellten zweifellos das ideale Liebespaar dar, und als ich die erste
Verlegenheit überwunden hatte, fühlte ich ein immer heftigeres Bedürfnis, laut
loszulachen. Louella war endlich des Redens müde und stand auf. Ich tat
dasselbe, was Lewis sichtlich störte. Er sprang auf die Beine, schüttelte sich
und betrachtete Louella mit einem so eisigen, gelangweilten, zum Gehen
drängenden Blick, daß sie ihrerseits ihn kalt wie einen Gegenstand musterte.
    »Ich gehe, Dorothy. Ich fürchte, ich
habe Sie gestört. Aber ich lasse Sie in schöner, wennschon nicht guter
Gesellschaft zurück.«
    Lewis reagierte nicht. Ich ebensowenig.
Der westindische Chauffeur hielt schon die Wagentür auf. Louella wurde nervös.
    »Wissen Sie nicht, daß man eine Dame
zur Tür zu begleiten pflegt?«
    Sie hatte sich an Lewis gewandt, und
ich hörte bestürzt, wie er zum erstenmal seine berühmte Selbstbeherrschung
verlor.
    »Eine Dame, ja«, sagte er ruhig und
rührte sich nicht von der Stelle.
    Louella hob die Hand, wie um ihn zu
ohrfeigen, und ich schloß die Augen. Louella war für ihre Ohrfeigen berühmt, in
der Stadt wie auf der Leinwand. Sie teilte sie in beiden Fällen sehr gut aus,
zuerst mit der Handfläche, dann mit dem Handrücken, und das Ganze, ohne die
Schulter zu bewegen. Hier aber hielt sie plötzlich inne. Ich sah Lewis an. Er
stand regungslos, blind, taub, so wie ich ihn schon einmal gesehen hatte. Er
atmete langsam, und an seinen Mundwinkeln vorbei rannen wieder die
Schweißperlen. Louella trat einen Schritt zurück, dann noch einen, als wollte
sie sich aus seiner Reichweite bringen. Sie hatte Angst, und ich auch.
    »Lewis«, sagte ich.
    Ich legte meine Hand auf seinen Ärmel.
Er kam zu sich und verbeugte sich auf eine ganz altmodische Art vor Louella.
Sie starrte uns an.
    »Sie sollten sich weniger junge suchen,
Dorothy, und höflichere.«
    Ich antwortete nicht. Ich war
niedergeschmettert. Morgen würde ganz Hollywood auf dem laufenden sein. Und
Louella würde sich rächen. Das bedeutete vierzehn Tage lang unaufhörlichen
Ärger.
    Als Louella verschwunden war, konnte
ich mich nicht enthalten, Lewis Vorwürfe zu machen. Er betrachtete mich
mitleidig.
    »Stört Sie das wirklich?«
    »Ja. Ich hasse Klatsch.«
    »Ich bringe das in Ordnung«, sagte er
ruhig.
    Doch dazu fand er keine Gelegenheit
mehr. Als Louella am nächsten Morgen

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