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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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ließ mich jedesmal wieder
hochschnellen wie einen erschrockenen Hampelmann. Ich rauchte nicht einmal eine
Zigarette.
    Um acht schlugen über meinem Kopf die
Läden vor Lewis’ Fenster gegen die Mauer, und ich schrak auf. Ich hörte ihn die
Treppe herunterkommen und vor sich hin pfeifend Wasser aufsetzen. Sein LSD
schien sich mit dem Schlaf verflüchtigt zu haben. Ich sog die Lungen noch
einmal mit frischer Luft voll, dann ging ich in die Küche zurück. Lewis schien
überrascht, und ich blickte ihn eine Sekunde lang mit ungläubiger Verwunderung
an: so schön, so jung, so zerzaust, so sanft war er.
    »Es tut mir leid wegen gestern abend«,
sagte er ohne Einleitung. »Ich werde dieses Dreckzeug nicht mehr nehmen.«
    »Darum geht es jetzt nicht«, sagte ich
finster und setzte mich endlich auf einen Küchenstuhl. Ich fühlte mich
sonderbar erleichtert, weil ich einen Gesprächspartner hatte, wenn es auch nur er war. Er beobachtete sehr aufmerksam das Wasser in der Kaffeemaschine, aber
etwas in meiner Stimme bewog ihn, sich nach mir umzuwenden.
    »Was gibt es?«
    Er sah so unschuldig aus mit den hochgezogenen
Brauen und in seinem Morgenmantel, daß ich zu zweifeln begann, und das Netz der
merkwürdigen Übereinstimmungen, Vermutungen und halben Beweise, das ich im
Laufe der Nacht geknüpft hatte, zerriß mit einem Schlag.
    »Lewis... Sie haben sie doch nicht
getötet, nicht wahr?«
    »Wen?«
    Diese Gegenfrage war, gelinde gesagt,
entmutigend. Ich wagte nicht, ihn anzusehen.
    »Alle: Frank, Bolton, Louella.«
    »Doch, ja...«
    Ich stöhnte auf und klammerte mich an
meinen Stuhl. Er sprach gleichmütig weiter:
    »Sie können ganz unbesorgt sein. Es
gibt keine Spuren. Sie werden uns nicht mehr belästigen.«
    Er goß ein wenig Wasser in die
Kaffeemaschine nach. Ich beobachtete ihn geistesabwesend.
    »Hören Sie, Lewis... Sie sind verrückt?
Man bringt doch nicht einfach jemanden um. Das gehört sich nicht.«
    Der Ausdruck erschien mir selbst
unzulänglich, aber ich war so vor den Kopf geschlagen, daß ich keine
treffenderen Worte fand. In tragischen Situationen fallen mir, ich weiß nicht,
warum, immer nur Redensarten ein, wie man sie im Kloster oder von wohlerzogenen
jungen Mädchen hören kann.
    »Wenn Sie wüßten, was alles sich nicht
gehört und was die Leute trotzdem tun! ... Die andern betrügen, kaufen,
erniedrigen, im Stich lassen...«
    »Aber man darf sie nicht töten«, sagte
ich fest.
    Er zuckte die Schultern. Ich hatte mich
auf eine erschütternde Szene vorbereitet, und dieses ruhige Gespräch brachte
mich aus der Fassung. Er sah mich an.
    »Wie haben Sie es erfahren?«
    »Ich habe nachgedacht. Ich habe die
ganze Nacht gegrübelt.«
    »Sie müssen tot sein. Möchten Sie
Kaffee?«
    »Nein, ich bin nicht tot«, sagte
ich aufgebracht. »Lewis... Was werden Sie nun tun?«
    »Aber... nichts! Es hat einen
Selbstmord gegeben, ein ›schmutziges Verbrechern ohne Hinweis auf den Täter und
einen Autounfall. Es ist alles in Ordnung.«
    »Und ich?« schrie ich auf. »Und ich?
Soll ich mit einem Mörder unter einem Dach leben? Soll ich untätig zusehen, wie
Sie aufs Geratewohl Leute umbringen... wie es sich gerade trifft?«
    »Wie es sich gerade trifft? Aber,
Dorothy, ich töte nur Menschen, die Ihnen etwas getan haben oder tun. Das kann
man nicht aufs Geratewohl nennen.«
    »Was fällt Ihnen ein! Sind Sie mein
Leibwächter? Habe ich Sie um etwas gebeten?«
    Er setzte endlich die Kaffeemaschine
nieder, sah mich an und sagte ruhig: »Nein, aber ich liebe Sie.«
    Ein heftiger Schwindel packte mich, ich
glitt vom Stuhl und wurde — der Schlafmangel mag dazu beigetragen haben — zum
erstenmal in meinem Leben ohnmächtig.
    Ich kam auf dem Kanapee wieder zu mir,
über mir das — endlich — fassunglose Gesicht von Lewis. Wir blickten einander
schweigend an, dann reichte er mir die Scotch-Flasche. Ich nahm einen Schluck,
ohne ihn aus den Augen zu lassen, und dann noch einen. Mein Herz begann wieder
normal zu schlagen, und zugleich überwältigte mich der Zorn.
    »So, Sie lieben mich also! Wirklich?
Und deshalb mußten Sie den armen Frank umbringen? Und die unglückliche Louella?
Warum haben Sie nicht auch Paul ermordet, da Sie schon einmal dabei waren?
Schließlich ist er mein Liebhaber.«
    »Weil er Sie liebt. Aber wenn er Sie
verläßt oder Ihnen weh tut, bringe ich auch ihn um.«
    »Mein Gott«, sagte ich. »Sie sind
verrückt. Haben Sie früher schon viele Menschen getötet?«
    »Nicht, bevor ich Sie

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