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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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bei ihm
selten vorkam. Er nahm meine Hand, wandte sie um und küßte sie.
    »Er... Weißt du, ich glaube, er ist
nicht ganz normal. Er hätte den Kerl wirklich beinahe umgebracht.«
    »Niemand kann normal sein, wenn er ein
mit diesem Zeug getränktes Stück Zucker geschluckt hat«, sagte ich nicht ohne
Logik.
    »Das ändert nichts daran, daß er
gewalttätig ist, und der Gedanke, daß du mit ihm zusammenwohnst, gefällt mir
nicht.«
    »Offen gestanden: ich glaube, er hat
mich sehr gern, und er wird mir nie weh tun.«
    »Jedenfalls wird er nun ein Star, und
du wirst ihn bald los sein«, sagte Paul. »Grant hat mit mir darüber gesprochen.
Sie ziehen ihre nächste Publicity-Kampagne mit ihm auf... und da er obendrein
Talent hat... Dorothy, wann heiratest du mich?«
    »Bald«, sagte ich. »Sehr bald.«
    Ich neigte mich vor und küßte ihn
leicht auf den Mund. Er seufzte. Ich ging ins Haus, um zu sehen, was der
zukünftige Superstar trieb. Er lag auf dem Boden, auf meinem mexikanischen
Teppich, das Gesicht in die Hände gepreßt. Ich ging in die Küche, wärmte den
Kaffee auf und goß eine Tasse für Lewis ein, während ich im Geiste eine Predigt
über die verheerenden Wirkungen des Rauschgifts probte. Dann kehrte ich in den
Livingroom zurück, kniete neben ihm nieder und klopfte ihm kräftig auf die
Schulter. Vergebens.
    »Lewis, trinken Sie diesen Kaffee.«
    Er rührte sich noch immer nicht. Ich
schüttelte ihn. Er schlug sich wohl mit einer Schar chinesischer Drachen und
bunter Schlangen herum. Ich ärgerte mich, zugleich aber dachte ich, daß sich
dieser schöne junge Mann vor einer Stunde für mich geschlagen hatte, und das
stimmt jede Frau nachsichtig. Ich murmelte:
    »Lewis, mein Lieber.«
    Da drehte er sich herum und warf sich
mir in die Arme. Ein eigentümliches Schluchzen schüttelte ihn, regelrechte
Stöße, die ihn halb erwürgten und mir Angst machten. Er preßte den Kopf gegen
meine Schulter, mein kostbarer Kaffee ergoß sich auf den Teppich, und
unbeweglich, gerührt und entsetzt zugleich, hörte ich die seltsame Litanei an,
die von seinen in mein Haar gedrückten Lippen kam:
    »ich hätte ihn umbringen können.... ich
hätte es tun müssen... nur eine Sekunde länger... Ihnen das zu sagen... Ihnen...
Ah, ich hielt ihn... ich hielt ihn...«
    »Hören Sie, Lewis, man prügelt sich
nicht mit solchen Kerlen. Das ist unvernünftig.«
    »Ein Schwein... Ein Schwein ist das...
Augen wie ein wildes Tier. Sie haben alle Augen wie wilde Tiere... alle Leute,
sehen Sie das nicht? Sehen Sie es denn nicht? Sie kriegen mich noch, Sie werden
sehen... Sie werden mich von Ihnen trennen, und sie werden auch Sie noch
kriegen... Sie... Sie, Dorothy.«
    Ich hielt ihn unter dem Nacken, streichelte
sein Haar, küßte ihn auf die Schläfe, war so betrübt, als sähe ich den Kummer
eines Kindes mit an, denn ein Kind war es, das da an mich gelehnt schluchzte,
ein Kind, dem das Leben übel mitgespielt hatte. Ich murmelte unbestimmte Worte.
»Beruhigen Sie sich, es ist ja nichts...« Irgend etwas in diesem Sinne.
Allmählich bekam ich durch die halb kniende Stellung und das Gewicht des Mannes
an meiner Schulter einen Wadenkrampf, und ich sagte mir, daß solche Szenen
nichts für eine Frau in meinen Jahren seien. Es hätte eines reinen jungen
Mädchens bedurft, um ihm das Vertrauen, den Geschmack am Leben wiederzugeben.
Ich wußte sehr gut, wie es sein konnte, das Leben, wußte es nur zu gut. Endlich
beruhigte er sich. Ich ließ ihn sanft an mir herab auf den Teppich gleiten,
breitete meine Lodendecke über ihn und ging erschöpft schlafen.
     
     
     

ZEHNTES KAPITEL
     
    Ich erwachte mitten in der Nacht, von
einem furchtbaren Gedanken gelähmt. Beinahe eine ganze Stunde lang saß ich im
Dunkeln in meinem Bett wie eine Eule und überdachte alles noch einmal ganz
genau. Dann ging ich zitternd in die Küche hinunter, machte mir eine Tasse
Kaffee und goß nach kurzer Überlegung einen Schuß Kognak hinein. Der Morgen
graute. Ich trat auf die Veranda hinaus, betrachtete den Himmel, der sich im Osten
in einem langen weißen, allmählich sich blau färbenden Streifen hinzog, den
Rolls, der schon wieder vom Unkraut attackiert wurde — es war ein Freitag —,
dann den Lieblingssessel von Lewis und schließlich meine Hände, die zitterten,
obwohl sie auf dem Geländer lagen. Ich weiß nicht, wie lange ich an dieses
Geländer gelehnt stand. Ab und zu versuchte ich mich in einen Sessel zu setzen,
aber der Gedanke, immer der gleiche Gedanke,

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