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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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ins Studio fuhr, wurde ihr Kabriolett aus
einer Kurve geschleudert, und sie blieb hundert Meter tiefer, im
San-Fernando-Tal, zerschmettert liegen.
     
     
     

NEUNTES KAPITEL
     
    Die Beerdigung war prunkvoll. Innerhalb
von zwei Monaten waren, Jerry Bolton mit eingerechnet, zwei Berühmtheiten
Hollywoods auf tragische Weise ums Leben gekommen. Zahllose Kränze, von den
zahllosen Überlebenden geschickt, überschwemmten den Friedhof. Ich war mit Paul
und Lewis dort. Für mich war es schon das dritte Mal: erst Frank, dann Bolton,
nun Louella. Einmal mehr schritt ich also durch die gepflegten Alleen. Ich
hatte drei so verschiedene Wesen zur letzten Ruhe geleitet, aber alle drei
waren sie schwach und grausam, gierig und enttäuscht zugleich gewesen, drei
Menschen, von einem Wahn besessen, der ihnen selbst so unbegreiflich war wie
den anderen. Es war bedrückend, wenn man darüber nachdachte. Was für eine Mauer
schiebt sich ständig zwischen die Menschen und ihre geheimsten Wünsche, ihr
furchtbares Verlangen nach Glück? Ist es das Bild, das sie sich von diesem
Glück machen und das sich nie mit ihrem Leben vereinbaren läßt? Ist es die Zeit
oder die Abwesenheit der Zeit? Ist es eine seit der Kindheit gehegte Sehnsucht?
Als ich, nach Hause zurückgekehrt, zwischen meinen beiden Männern saß, stellte ich
darüber lange Betrachtungen an und befragte sie und die Sterne. Weder die einen
noch die anderen waren imstande, mir zu antworten, ja, ich möchte behaupten,
die Sterne blinkten zu meinen Reden ebenso schwach wie die Pupillen meiner
Gefährten. Dabei hatte ich auf meinem Plattenspieler La Traviata aufgelegt, eine romantische Musik, wenn es je eine gab, die mich stets zum
Nachdenken anregte. Zuletzt ärgerte ich mich über die Stummheit der beiden.
    »Sagen Sie mir endlich, Lewis: Sind Sie
glücklich?«
    »Ja.«
    Die lakonische Kürze dieser Antwort
hätte mich entmutigen müssen, aber ich war starrsinnig.
    »Und wissen Sie auch, warum?«
    »Nein.«
    Ich wandte mich an Paul.
    »Und du Paul?«
    »Ich hoffe, es sehr bald vollkommen zu
sein.«
    Die Anspielung auf unsere Heirat machte
mich frösteln. Ich lenkte rasch ab:
    »Seht doch einmal: Wir sitzen hier alle
drei beisammen, es ist warm, die Erde ist rund, wir sind gesund, wir sind
glücklich... Warum haben alle unsere Bekannten diese verhungerte, gequälte
Miene... was geht eigentlich vor?«
    »Erbarmen, Dorothy«, stöhnte Paul. »Ich
habe keine Ahnung. Lies die Zeitungen. Sie bringen fortwährend Untersuchungen
über dieses Thema.«
    »Warum will nie jemand ernsthaft mit
mir reden?« sagte ich wütend. »Bin ich eine dumme Gans? Bin ich völlig
verblödet?«
    »Mit dir kann man nicht ernsthaft über
das Glück sprechen«, sagte Paul. »Du bist eine lebende Antwort. Ich könnte
nicht mit Gott selber über die Existenz Gottes sprechen.«
    »Das kommt daher«, sagte Lewis plötzlich,
und er stotterte beinahe, »das kommt daher, daß Sie gut sind.«
    Er war aufgesprungen und stand im
Licht, das aus dem Livingroom fiel. Er machte ein sonderbares Gesicht und hatte
die Hand erhoben wie ein Prophet.
    »Sie... verstehen Sie? ... Sie sind
gut. Die Leute sind im allgemeinen nicht gut, und deshalb... deshalb können Sie
nicht einmal zu sich selbst gut sein...«
    »Mein Gott«, sagte Paul. »Wollen wir
nicht noch ein Glas trinken? Irgendwo, wo es ein bißchen lustig ist? ... Kommen
Sie mit, Lewis?«
    Es war das erste Mal, daß er ihn
einlud, und Lewis nahm zu meiner Überraschung an. Da wir nicht sehr gut
angezogen waren, entschieden wir uns für ein Beatnik-Lokal in der Nähe von
Malibu. Wir quetschten uns alle drei in Pauls Jaguar, und ich sagte lachend,
Lewis sei auf diesem Platz besser untergebracht als er es bei unserer ersten
Begegnung vor der Stoßstange gewesen war. Nach diesem feinen Scherz rasten wir
die Straße entlang. Das Verdeck war zurückgeklappt und wir hatten den Wind in
den Ohren und in den Augen. Ich fühlte mich wunderbar, eingeklemmt zwischen
meinem Liebhaber und meinem jüngeren Bruder, meinem Sohn könnte ich beinahe
sagen, beide schön, großzügig, liebenswürdig: zwei Männer, die ich gern hatte.
Ich dachte an die arme Louella, die unter der Erde lag, ich dachte, daß ich ein
wahnsinniges Glück hatte, und daß das Leben ein wundervolles Geschenk war.
    Im Lokal wimmelte es von mehr oder
weniger bärtigen und langhaarigen jungen Leuten, und wir fanden mit knapper Not
einen kleinen Tisch. Wenn Paul wirklich meinen Reden hatte entrinnen wollen,
war es ihm

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