Der Wächter
haushoch überlegen fühlte. »Was braucht man, um ’ne Katze vom Baum zu holen – das Spezialeinsatzkommando?«
»Bei dem fehlenden Weihnachtsschmuck geht es nicht nur um zwei Dollar, nicht wahr, Detective Truman?«, sagte Hazard.
»Nein«, sagte Ethan, die Erinnerung an alte Zeiten deutlich vor Augen, »es geht ums Prinzip. Außerdem handelt es sich um ein Hassverbrechen.«
»Eindeutig ein schweres Hassverbrechen nach dem Strafgesetzbuch«, sagte Hazard, ohne eine Miene zu verziehen.
»Während der Weihnachtszeit«, sagte Ethan, »sind wir der Einsatzgruppe gegen Weihnachtsschmuck- und Krippenvandalismus zugeteilt.«
»Das ist eine Abteilung des Sonderdezernats Festtagsschutz, das gemäß dem seit 2001 geltenden Antihassgesetz eingerichtet wurde«, fügte Hazard hinzu.
Ein vorsichtiges Grinsen trat auf Sheens Gesicht, während er den Kopf schräg legte und erst Ethan und dann Hazard ansah. »Sie wollen mich auf die Schippe nehmen, was?«
Mit seinem ebenso durchdringenden wie missbilligenden Spezialblick, bei dem schon so mancher hartgesottene Gangster wie eine Primel eingegangen war, sagte Hazard: »Hassen Sie das Christentum, Mr. Sheen?«
Das Grinsen des Sanitäters gefror, noch bevor es sich ganz gebildet hatte. »Was?«
»Glauben Sie an Religionsfreiheit«, sagte Ethan, »oder gehören Sie zu denen, die meinen, die Verfassung der Vereinigten Staaten garantiere ihnen die Freiheit, keine Religion zu haben?«
Sheen blinzelte sich das Grinsen aus den Augen und leckte es sich von den Lippen. »Klar, natürlich, Religionsfreiheit, wer glaubt da nicht dran?«
»Wenn wir nun auf der Stelle einen Durchsuchungsbefehl für Ihre Wohnung bekämen«, sagte Hazard, »würden wir dann eine Sammlung antichristlicher Hassliteratur vorfinden, Mr. Sheen?«
»Was? Bei mir? Ich hasse überhaupt niemand. Ich bin ein umgänglicher Typ. Wovon reden Sie da eigentlich?«
»Würden wir Material zum Bau von Bomben finden?«, fragte Ethan.
Nachdem Sheens Grinsen unter Hazards kaltem Blick zunächst gefroren und schließlich zerbrochen war, verschwand nun auch noch alle Farbe aus seinem Gesicht. Es wurde so grau wie die Sichtbetonwände der Tiefgarage.
Der Sanitäter wich zurück und hob die Hände, als wollte er eine Spielunterbrechung anzeigen. »Was soll das? Meinen Sie das alles im Ernst? Das ist doch irre. Soll ich mir vielleicht einen Anwalt nehmen, bloß weil ein paar billige Weihnachtsglöckchen verschwunden sind?«
»Wenn Sie schon einen haben«, sagte Hazard düster, »wäre es vielleicht klug, ihn gleich mal anzurufen.«
Sheen, der offenbar immer noch nicht wusste, was er von der Sache halten sollte, wich noch einen Schritt zurück, dann drehte er sich hastig um und eilte auf den Aufenthaltsraum zu, in dem die Sanitäter auf ihren Einsatz warteten.
»Das Spezialeinsatzkommando, meine Güte«, brummte Hazard.
Ethan grinste. »Gratuliere!«
»Ganz meinerseits.«
Ethan hatte ganz vergessen, wie viel leichter das Leben mit einem Partner war, besonders dann, wenn dieser Sinn für Humor hatte.
»Du solltest wieder zu uns kommen«, sagte Hazard, während sie zur Tür zum Flur zurückgingen. »Wir könnten die Welt retten und dabei auch noch Spaß haben.«
Sie schwiegen, bis sie die Treppe zur öffentlichen Parkebene erreicht hatten. »Mal angenommen, dass dieser ganze Wahnsinn früher oder später aufhört«, sagte Ethan dann, »Bauchschüsse, die doch keine sind, die Glöckchen, die Stimme im Telefon, ein Typ, der in deinem Spiegel verschwindet. Glaubst du, du kannst dich dann wieder ganz normal an deine Arbeit machen, als wäre nichts Besonderes geschehen?«
»Was soll ich denn sonst tun – ins Kloster gehen?«
»Mir kommt es einfach so vor, als müsste die ganze Geschichte irgendwas … verändern.«
»Ich bin zufrieden, so wie ich bin«, sagte Hazard. »Schließlich bin ich schon so cool, wie’s irgend geht. Findest du nicht auch, dass ich bis in die Chromosomen cool bin?«
»Du bist ein wandelnder Eisblock.«
»Womit ich nicht sagen will, dass ich nicht auch heiß wäre.«
»So ist es«, bekräftigte Ethan.
»Ich bin nämlich ganz schön heiß.«
»Du bist so cool, dass du schon wieder richtig heiß bist.«
»Genau. Als hab ich keinerlei Grund, mich zu ändern. Es sei denn, ich treffe zufällig auf Jesus, und der gibt mir gehörig was hinter die Ohren.«
Sie waren weder auf einem Friedhof, noch pfiffen sie vor sich hin, doch beim Klang ihrer Worte, der von den grabeskalten Wänden des
Weitere Kostenlose Bücher