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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gebracht, seine übliche Verschwiegenheit zu brechen.
    Trotter hatte sich Micks Feindschaft durchaus verdient, obwohl sie ihm offenbar nicht bewusst war. Er hatte Mick schlicht und einfach die Freundin ausgespannt.
    Micks frühere Freundin war ein Pornofilmstar, der in gewissen schlüpfrigen Kreisen für seine unglaubliche Körpergeschmeidigkeit bekannt war.
    Vielleicht konnte Trotter sich nicht vorstellen, dass jemand an Abenden und Wochenenden eine tiefe emotionale Beziehung zu einer Frau entwickelte, die während ihrer Arbeitszeit vor der Kamera zwei, sechs oder gar zehn Männer gleichzeitig vernaschte.
    Mick hingegen hatte sich seit seinem vierzehnten Lebensjahr nichts sehnlicher gewünscht, als einen Pornostar zur Freundin zu haben. Nun hatte er das Gefühl, dass Trotter ihm seinen einzigen Herzenswunsch vermasselt und das wahre Glück vereitelt hatte.
    Als die besagte Frau gerade einmal vier Monate mit Trotter zusammengelebt hatte, war sie verschwunden. Mick war der Überzeugung, Trotter habe sie satt gehabt, umgebracht und irgendwo im Canyon verscharrt – entweder weil sie zu viel über seine illegalen Aktivitäten erfahren hatte oder nur so zum Spaß.
    Jetzt war sie niemand mehr von Nutzen, und diese sinnlose Vergeudung ihrer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit brachte Mick noch mehr in Rage.
    Corky ließ seine Waffe sinken. »Gehen wir rein«, sagte er.
    »Bitte nicht!«, flehte Trotter.
    »Muss ich Sie daran erinnern«, sagte Corky mit hinreißendem Flair, »welcher Lohn Sie für die Zusammenarbeit mit mir erwartet? Ihr Name wird aus allen öffentlichen Registern und den Unterlagen des Finanzamts gelöscht, wodurch Sie der freieste Mensch aller Zeiten werden, ein Mensch, der den Behörden völlig unbekannt ist? «
    »Ich komme heute Abend. Punkt neunzehn Uhr. Mit oder ohne Wind. Das schwöre ich.«
    »Ich möchte jetzt trotzdem reingehen«, sagte Corky. »Irgendwie habe ich das Bedürfnis, Ihnen etwas ein für alle Mal klar zu machen.«
    Traurigkeit trat in die irren Hutmacheraugen von Trotter. Sein Walrossgesicht wurde lang.
    Resigniert führte er Corky ins Haus.
    Die Einschusslöcher in den Wänden – sie stammten von Corkys früherem Besuch, bei dem er Trotter den ersten Denkzettel verpasst hatte – waren noch nicht verspachtelt worden, doch auf den Regalen des Wohnzimmers stand eine neue Sammlung Lladro-Porzellan: Figürchen von Ballerinen, tanzenden Prinzessinnen und Prinzen, mit einem Hund herumtobenden Kindern, einer süßen Bauernmaid beim Füttern von Gänsen, die sich um ihre Füße scharten …
    Dass ein unter Verfolgungswahn leidender, verschwörungssüchtiger Bankräuber und Drogendealer mit Schlupflöchern, die von Kalifornien bis zur kanadischen Grenze reichten, ein Faible für zerbrechliches Porzellan hatte, überraschte Corky nicht. Unsere Schale mag noch so rau sein, wir haben doch alle ein menschliches Herz.
    Corky hatte selbst eine Schwäche für alte ShirleyTemple-Filme, der er ein- oder zweimal im Jahr nachgab. Ohne jede Verlegenheit.
    Während Trotter zuschaute, leerte Corky das 9-mm-Magazin. Bei jedem Schuss zerbarst eine Figur.
    Seit er Mina Reynerd unabsichtlich in den Fuß geschossen hatte, war er im Umgang mit Handfeuerwaffen erstaunlich geschickt geworden. Bis vor kurzem hatte er keine große Lust gehabt, im Dienste des Chaos eine Schusswaffe zu benutzen, weil ihm das zu kalt und unpersönlich vorgekommen war. Inzwischen freundete er sich zunehmend damit an.
    Er tauschte das erste Magazin aus und erledigte dann den Rest der Porzellansammlung. Die feuchte Luft war von Kalkstaub und Pulvergeruch erfüllt.
    »Neunzehn Uhr«, sagte Corky.
    »Ich komme«, sagte der gezüchtigte Trotter leise.
    »Mitsamt dem fliegenden Teppich.«
    Nachdem er das zweite Magazin gegen ein drittes ausgetauscht hatte, steckte Corky die Glock in sein Schulterhalfter und ging hinaus auf die Veranda.
    Während er durch den Regen langsam zu seinem Landrover ging, wandte er dem Haus furchtlos den Rücken zu.
    Bald darauf fuhr er aus den Schluchten von Malibu auf die Küste zu.
    Der Himmel war ein offenes Becherglas, aus dem kein Regen strömte, sondern das universelle Lösungsmittel, nach dem die Alchemisten des Mittelalters vergeblich gesucht hatten. Rund um Corky schmolzen die Hügel, und die Ebenen lösten sich auf. Der Rand des Kontinents zerfloss ins aufgewühlte Meer.

64
    Fric saß im Rosenzimmer auf einem Stuhl am Fenster und schaute hinaus auf den hoch aufgetürmten Haufen bronzener Pferdeäpfel,

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