Der Wächter
gefüllt und gebraten hätte, um damit an Thanksgiving arglose Stadtstreicher zu beglücken.
Schließlich hatte man ihn in Ruhe gelassen.
Noch immer wusste er nicht, ob es sich nun um eine Klinik, ein Sanatorium oder eine Klapsmühle gehandelt hatte.
Seither war seine Mutter erst einmal im Palazzo Rospo gewesen, aber über den Vorfall hatte sie geschwiegen. Das war der Besuch, bei dem sie Fric erklärt hatte, er sei eine fast unsichtbare, richtige kleine Maus.
Dann hatten sie sich auf zwei große schwarze Hengste geschwungen, und Fric war so ausgelassen, selbstsicher und athletisch gewesen wie sein Vater, außerdem ein toller Reiter.
Ha, ha, ha.
Während er nun im Rosenzimmer saß und aus dem Fenster schaute, war er so in der Vergangenheit versunken, dass er nicht gemerkt hatte, dass Mr. Yorn in Sicht gekommen war. Der Gärtner, der grüne Regensachen und hohe schwarze Gummistiefel trug, hatte wohl die Dränage des Rasens überprüft oder ein verstopftes Abflussrohr gereinigt. Nun starrte er Fric aus etwa zwei Metern Entfernung durchs Fenster hindurch an. Er sah dabei erstaunt aus, wenn nicht gar besorgt.
Vielleicht hatte Mr. Yorn gewinkt, und als der in Gedanken verlorene Fric nicht reagiert hatte, hatte er noch einmal gewinkt; und da sein Gruß wieder nicht erwidert worden war, glaubte Mr. Yorn jetzt vielleicht, Fric befinde sich in einer Trance.
Um zu beweisen, dass er weder ein unhöflicher Rotzlöffel noch hypnotisiert war, wedelte Fric nun mit der Hand. Das schien irgendwie das Richtige zu sein, egal, ob Mr. Yorn erst zehn Sekunden unbemerkt dastand oder schon fünf Minuten.
Allerdings winkte Fric wohl etwas zu heftig, was eventuell der Grund dafür war, dass der Gärtner nun näher ans Fenster trat und fragte: »Alles in Ordnung, Fric?«
»Ja, Sir. Mir geht’s prima. Ich esse hier bloß ein paar Schinkensandwiches.«
Offenbar war Frics Stimme durch die Bleiglasscheiben und das Rauschen des Regens verschluckt worden, jedenfalls trat Mr. Yorn jetzt noch ein Stückchen näher. »Was hast du gesagt?«
»Schinkensandwiches!«, wiederholte Fric fast brüllend.
Einen Moment lang starrte Mr. Yorn ihn weiter an, als betrachtete er einen merkwürdigen, im Schraubglas gefangenen Käfer. Dann schüttelte er den Kopf, was die Krempe seines Regenhuts komisch flattern ließ, und wandte sich ab.
Fric sah den Gärtner an dem bronzenen Misthaufen vorbei durch den Regen gehen. Während die Gestalt über den riesigen Rasen schritt, wurde sie immer kleiner, bis sie nicht mehr größer als ein Gartenzwerg war, um schließlich wie ein Gespenst zu verschwinden. Fric glaubte genau zu wissen, was Mr. Yorn dachte: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm .
Als er aufstand, um sich zu dehnen und die Steifheit aus den Beinen zu schütteln, trat er versehentlich auf den Picknickkorb ein und stieß ihn um.
Der Deckel klappte auf, und Fric sah etwas im Korb liegen, etwas Weißes.
Der Korb war leer gewesen. Keine Notlampen, keine Schinkensandwiches, gar nichts.
Nervös blickte Fric sich im Salon um, sah jedoch keinen Ort, an dem sich jemand verstecken konnte. Die Tür zum Flur hatte er zugezogen, und zu war sie noch immer.
Zögernd bückte er sich; vorsichtig griff er in den Korb.
Heraus kam eine gefaltete Zeitung, die er zitternd aufschlug. Die Los Angeles Times .
Die Schlagzeile war zu fett, zu schwarz, zu unglaublich, um übersehen zu werden: MANHEIMENTFÜHRUNG: FBI GREIFT EIN.
In Fric wogte ein Frösteln hin und her.
Seine Handflächen waren urplötzlich mit klebrigem Schweiß bedeckt, so als hätte er die Hände in ein imaginäres Meer getaucht. Die Finger klebten am Papier.
Er sah auf das Datum der Ausgabe. Der 24. Dezember. Übermorgen.
Auf der Titelseite waren unter der schockierenden Schlagzeile zwei Fotos: ein offizielles Porträt des Schattenpapas und das Gartentor des Palazzo Rospo.
Aus Angst, durch das Lesen des Berichts könnte dieser wahr werden, warf Fric erst einmal einen Blick aufs Ende der Spalte und sah, dass der Artikel auf Seite acht fortgesetzt wurde. Auf der Suche nach dem Bild, das am wichtigsten für ihn war, schlug er diese Seite auf.
Und da war er.
Unter seinem Foto standen die Worte: Aelfric Manheim (10) , seit Dienstagnacht vermisst .
Während er das Foto bestürzt anstarrte, verwandelte sich sein schwarz-weißes Bild in das des Spiegelmanns, des Mysteriösen Anrufers, seines Schutzengels: ein kaltes Gesicht, blassgraue Augen.
Fric wollte die Times auf den Boden werfen, konnte sie
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