Der Wächter
sonnten, sich vergnügten und Rezepte für Cannabiskekse austauschten.
Stattdessen wohnte er landeinwärts, hinter den Hügeln und ohne Meerblick, in einem der ländlichen Canyons, die nicht nur von Leuten geschätzt wurden, die Pferde hielten und das einfache Leben liebten, sondern auch von labilen Spinnern und Exzentrikern, Kiffern mit Namen wie Boomer und Moose, die im Lampenlicht von Scheunen und Bunkern Marihuana anbauten, radikalen Ökofreaks, die im Namen gefährdeter Baumratten am liebsten das nächste Autohaus in die Luft gesprengt hätten, und Anhängern von Sekten, die Ufos verehrten.
Ein Ranchzaun, der dringend gestrichen gehörte, umgab Trotters gut anderthalb Hektar großes Grundstück. Normalerweise war das Tor geschlossen, um unerwünschte Besucher fern zu halten.
Heute hatte Trotter das Tor jedoch weit offen gelassen, weil er Angst hatte, Corky – den er als knallharten Geheimagenten Robin Goodfellow kannte – könnte seinen Wagen einfach durch die Barriere steuern und sie aus den Angeln reißen, wie er es schon einmal getan hatte.
Am Ende des Schotterwegs stand ein Haus im Hazienda-Stil. Die Wände zwischen den freiliegenden Balken waren mit blassgelbem Gips verputzt. Das Haus war nicht klapperig genug, um als baufällig bezeichnet zu werden, und bei weitem nicht schmutzig genug, um verwahrlost zu sein, es litt sozusagen einfach nur an einer vornehmen Vernachlässigung.
Trotter gab nicht viel Geld für die Instandhaltung seines Hauses aus, weil er erwartete, jeden Augenblick fliehen zu müssen. Ein Mann, dessen Kopf in der Halterung einer Guillotine steckte, empfand wahrscheinlich keine größere Anspannung als die, unter der Jack Trotter täglich litt.
Als eifriger Anhänger von Verschwörungstheorien war er der Meinung, im Lande werde ein geheimes Komplott mit dem Ziel geschmiedet, die Demokratie zu beseitigen und eine brutale Diktatur zu errichten. Wachsam achtete er unablässig auf Vorzeichen des drohenden Staatsstreichs.
Im Augenblick glaubte er, dass Postangestellte die Vorhut der Unterdrückung darstellten. In seiner Einbildung waren sie nicht die Bürokraten, als die sie sich ausgaben, sondern durchtrainierte Stoßtrupps, die sich als unschuldige Postboten tarnten.
Aus diesem Grund hatte er eine Reihe von Schlupflöchern vorbereitet, von denen eines abgelegener war als das andere. Er hoffte, der Zivilisation schrittweise entfliehen zu können, wenn das Blutbad einsetzte.
Zweifellos hätte er sich schon nach Corkys erstem Besuch davongemacht, hätte er nicht geglaubt, dass Corky – als Robin Goodfellow – jedes einzelne seiner Schlupflöcher kannte und ihn dort aufspüren würde, begleitet von einer Horde mordlüsterner Briefträger, die keine Gnade kannten.
Am Ostrand des Anwesens, ein Stück vom Haus entfernt, standen eine alte, nicht getünchte Scheune und ein neuerer Blechschuppen. Corky wusste nur teilweise, was Trotter in diesen Gebäuden trieb, aber er tat so, als wüsste er alles.
In Wirklichkeit wurde Trotter weniger von einem finsteren Komplott bedroht als von Bränden, allerdings nur in der Sommerhitze. Die steilen Hänge hinter seinem Grundstück und die Hälfte des engen Tales waren mit dichtem, stachligem Buschwerk bestanden, das Ende August mit Bestimmtheit so entflammbar gewesen war wie Brittina Dowds Häuschen mithilfe einiger Spritzer Benzin.
Jetzt waren die Hänge natürlich so übersättigt mit Regenwasser, dass eher ein Erdrutsch drohte. In solchem Gelände konnte die Wand eines Canyons sich derart blitzartig in eine Schlammlawine verwandeln, dass selbst ein ständig unter Strom stehender Paranoiker ihr nicht entkommen konnte. Selbst wenn Trotter beim ersten Rumpeln losrannte, wurde er womöglich verschüttet und musste sein Grab mit einer Archenladung zermalmter Tiere teilen.
Es war eben einfach herrlich in Südkalifornien, wie Corky fand.
Vorläufig unzermalmt erwartete Trotter seinen Besucher auf der Veranda. Offenbar hoffte er, Corky vom Betreten des Hauses abhalten zu können.
Bei einem seiner früheren Besuche hatte Corky seine Rolle als schurkischer Geheimagent, der sich mit der amerikanischen Verfassung den Hintern abwischte, besonders überzeugend gespielt und hatte etwas über die Stränge geschlagen. Er hatte keinerlei Achtung vor Trotters Eigentum gezeigt. Ein wahrer Rohling war er gewesen.
Auch an diesem 22. Dezember stimmte die weihnachtliche Vorfreude Corky durchaus nicht milde. Er war ein hundsgemeiner Weihnachtsmann.
Obwohl er zehn
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