Der Wächter
beträchtliche Menge Material gewann, das teilweise sogar noch recht klebrig aussah.
Während der gesamten Prozedur zitterte ihm die Hand. Britney dachte wahrscheinlich, dass ihr Liebreiz ihn nervös machte.
Zuerst würde man untersuchen, ob es sich bei der Substanz unter Ethans Fingernägeln tatsächlich um Blut handelte. War das der Fall, so kam das Zeug ins medizinische Labor, um typisiert und mit dem DNA-Profil der Blutprobe verglichen zu werden, die ihm von der hübschen Vietnamesin abgezapft worden war. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung würde erst am Mittwochnachmittag vorliegen.
Ethan konnte sich zwar nicht ausdenken, wieso er eigenes Blut unter den Fingernägeln haben sollte, da er letztlich ja doch nicht in Bauch und Brust getroffen worden war. Aber so unverrückbar, wie wandernde Wildgänse ohne Kompass von Süden nach Norden fanden, wusste er, dass es sein Blut war.
5
Auf dem Parkplatz der Palomar Laboratories saß Ethan in seinem Wagen, sah zu, wie Regen und Wind farblose Schemen auf die Scheibe malten, und wählte die Nummer von Hazard Yancys Mobiltelefon.
Als Kind hatte Hazard noch Richard geheißen, aber er hatte seinen Taufnamen einfach nicht ausstehen können. Die Abkürzung »Dick« gefiel ihm auch nicht besser. Er war der Meinung, dass sie wie eine Beleidigung klang.
»Ich bin auch nicht dicker als der Rest der Welt«, hatte er einmal zu Ethan gesagt.
Als richtig dick hätte man Hazard Yancy tatsächlich nicht bezeichnet, aber wuchtig war er zweifellos. Mit eins fünfundneunzig Körpergröße und hundertzehn Kilo Gewicht, einem kahl rasierten Schädel, der so groß wie ein Basketball wirkte, und einem Nacken, der kaum weniger breit als der Abstand zwischen den Ohren war, sprengte er die Durchschnittsnorm jedenfalls erheblich.
»Wenn meine Alten mich Max genannt hätten, wäre ich ja gar nicht unzufrieden. Schließlich gehe ich im Gegensatz zu manchen Leuten gern ans Maximum. Ich bin maximal entschlossen, hab den maximalen Spaßfaktor zu bieten, mache maximal die meisten Fehler, wenn’s um Frauen geht, und hab die maximale Chance, dass mir jemand in den Hintern schießt.«
Als junger Mann war Hazard von seinen Freunden »Brick« gerufen worden, eine Anspielung auf die Tatsache, dass er so massiv wie eine Ziegelwand gebaut war.
Seit er vor zwanzig Jahren zum Dezernat für Mord und Raubüberfälle gekommen war, hatte ihn niemand mehr »Brick« genannt. Im Dienst kannte man ihn unter dem Namen Hazard. Wenn man mit ihm als Tandem arbeitete, fühlte man sich nämlich nicht selten wie der Partner eines Hasardeurs, der eine Ladung Dynamit beförderte.
Ein Ermittler der Mordkommission lebte zwar gefährlicher als ein Gemüsehändler, fand aber mit geringerer Wahrscheinlichkeit im Dienst den Tod als die Nachtschicht eines rund um die Uhr geöffneten Supermarkts. Sehnte man sich nach dem Nervenkitzel, regelmäßig unter Beschuss genommen zu werden, so waren die Ermittlungsgruppe Bandenkriminalität, das Rauschgiftdezernat und vor allem die SWAT-Teams der Eingreiftruppe besser geeignet als der Job, Mördern hinterherzulaufen.
Selbst ein uniformierter Streifenpolizist zog mehr Gewalttätigkeit auf sich als ein Kriminalbeamter in Zivil.
Hazards Karriere bildete eine Ausnahme. Ihn nahm man regelmäßig aufs Korn.
Überrascht war er allerdings nicht über die Häufigkeit, mit der ihm Kugeln um die Ohren pfiffen, sondern über die Tatsache, dass es sich bei den meisten Schützen um Leute handelte, die ihn nicht persönlich kannten. »Wer mit mir befreundet ist«, hatte er einmal bemerkt, »sollte eigentlich meinen, dass es genau andersherum ist, oder?«
Die unheimliche Anziehungskraft, die Hazard auf Geschosse ausübte, war weder auf Leichtsinn noch auf mangelhafte berufliche Fähigkeiten zurückzuführen. Er war ein umsichtiger, erstklassiger Ermittler.
Nach Ethans Erfahrung funktionierte das Universum nicht immer wie der simple Mechanismus aus Ursache und Wirkung, den die Wissenschaft so zuversichtlich skizzierte. Es gab Ausnahmen in Hülle und Fülle, Abweichungen von der Regel, merkwürdige Umstände, Widersinnigkeiten.
Man konnte ein wenig irre werden – ärztlich attestiert sogar –, wenn man darauf beharrte, dass das Leben immer nach einem logischen System verlief. Deshalb musste man es gelegentlich akzeptieren, wenn etwas unerklärlich blieb.
Hazard wählte sich seine Fälle nicht selbst aus. Wie seine Kollegen versuchte er mit dem fertig zu werden, was das Schicksal ihm
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