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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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auf der anderen Straßenseite stehen.
    Er trat zum Bett. »Ich bin auf Verdacht hier hereingekommen, ohne Durchsuchungsbefehl, und jetzt muss ich die Sache so hinbiegen, dass man mir nichts anhängen kann, sonst kommt Laputa noch ungeschoren davon. Verstehen Sie?«
    »Ja«, krächzte Dalton.
    »Deshalb werden Sie Folgendes aussagen: Dieser Bastard war sich hundertprozentig sicher, dass Sie nicht mal mehr einen Mucks zustande bringen würden, den man draußen hören konnte. Deshalb hat er heute Abend die Platte vom Fenster genommen, um Sie mit dem Blick ins Freie zu quälen. Können Sie das rüberbringen?«
    Mit einem ausgedörrten Atemhauch mühten sich brüchige, raue Worte aus Daltons Kehle. »Laputa hat gesagt … er wird mich … heute umbringen.«
    »Aha. Na schön, dann wäre es nicht ganz unlogisch, das Fenster freizulegen.«
    Auf dem Nachttisch stand ein Desinfektionsspray mit Fichtennadelduft. Hazard wog die Dose in der Hand. Sie war noch halb voll und schwer genug.
    »Als Nächstes«, sagte er zu Dalton, »müssen Sie aussagen, Sie hätten tief in Ihrem Innern die letzten Kraftreserven mobilisiert und irgendwie den Willen, die Energie, die Wut aufgebracht, um diese Dose vom Nachttisch zu nehmen und ans Fenster zu schleudern.«
    »Das schaffe … ich schon«, sagte Dalton mit zittriger Stimme, obwohl er aussah, als könnte er nur noch mit den Augen blinzeln.
    »Die Dose hat die Fensterscheibe durchschlagen und ist das Verandadach hinuntergerollt, während ich gerade aufs Haus zuging. Ich habe Sie schwach um Hilfe rufen hören, weshalb ich mir gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft habe.«
    Die Story war beschissen. Schon die ersten Polizeibeamten, die vor Ort auftauchten, würden den Schwindel bemerken, aber angesichts von Daltons erbärmlichem Zustand war das eine Sorte Schwindel, die sie schlucken konnten.
    Wenn Laputa schließlich vor Gericht gestellt wurde, war Dalton bestimmt wieder weitgehend bei Kräften, sodass die Geschworenen sich keine richtige Vorstellung würden machen können, wie entsetzlich schwach er in der Nacht seiner Rettung gewesen war. Die Zeit konnte der schäbigen Geschichte genügend Glanz verleihen, um sie annehmbar zu machen.
    Dalton, der den Blick auf die offene Tür gerichtet hatte, sah wieder Hazard an: »Machen Sie … schnell«, krächzte er angstvoll, als fürchtete er, gleich könnte Laputa ins Zimmer stürmen.
    Hazard schleuderte die Sprühdose ans Fenster. Die Scheibe zerbarst mit einem erfreulichen Klirren.

90
    Mit seinem mächtigen Manheim-Urin, den er wahrscheinlich hätte abfüllen und an die wildesten Fans seines Vaters verkaufen können, versengte Fric ein weiteres Mal die Wurzeln der Topfpalme, bevor er sich auf die Suche nach einem Buch machte. Er beeilte sich, weil Mr. Truman gesagt hatte, er solle nicht trödeln.
    Für den Fall, dass sie doch keine Marshmallows rösteten oder sich auf den Boden hockten, um sich Gespenstergeschichten zu erzählen, brauchte er ein Buch, dessen Lektüre Spaß machte. Bestimmt konnte er die halbe Nacht nicht einschlafen, und das nicht nur, weil in zwei Tagen Weihnachten war. Wenn er kein Buch hatte, um sich die Zeit zu vertreiben, dann wurde er wahrscheinlich so verrückt wie Barbra Streisands zweiköpfige Katze.
    Gerade hatte er einen Roman entdeckt, der interessant aussah, als er über sich ein Geräusch hörte – eine hell schimmernde Musik, die wie das leise Klingeln vieler kleiner Glockenspiele klang, die ein Windhauch gleichzeitig in Bewegung gesetzt hatte.
    Als er den Kopf hob, sah er, wie unzählige bunte Glasscherben sich aus der Kuppel lösten und auf ihn zufielen.
    Nein. Kein Glas. Das schillernde Mosaik der riesigen Kuppel war unversehrt. Splitter aus Farbe und Schatten fielen aus dem Glas, ohne dass es zerbrochen wäre; sie fielen durch das Glas hindurch, aus dem Nachthimmel darüber oder von einem Ort, der noch viel seltsamer war als die Nacht.
    Ohne von der Schwerkraft angezogen zu werden, sanken die Splitter gemächlich herab und veränderten ihre Farbe. Dabei berührten sie sich, verschmolzen miteinander und wurden langsam zu einer Gestalt.
    Schließlich war aus dem Mosaik von Splittern der Mysteriöse Anrufer geworden, den Fric zuletzt als Zeitungsskulptur im Rosenzimmer gesehen hatte und zuerst in menschlicher Gestalt auf dem Dachboden. So wie der Schutzengel sich da ohne Flügel von den Sparren zum Boden geschwungen hatte, so landete er jetzt mit lautloser Anmut zwei Schritte von Fric entfernt auf dem

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