Der Wächter
Einschätzung, wie gefährdet der Mann gerade ist.«
»So ein Job ist dir ja wie auf den Leib geschneidert. Wie viele Filme dreht der Bursche denn pro Jahr?«
»Nie weniger als zwei, manchmal auch drei.«
»Und ich hatte vor, auf Mr. Channing Manheims Kosten so viel zu verputzen, dass er es merkt und dich rauswirft, weil du deine Kreditkarte missbraucht hast.«
»Selbst du kannst nicht für hunderttausend Dollar Kibbeh futtern.«
Hazard schüttelte den Kopf. »Mannomann! Vielleicht bin ich ja nicht mehr ganz auf dem Laufenden, aber mir ist einfach schleierhaft, wie so jemand fünfzig Millionen Dollar wert sein kann.«
»Außerdem besitzt er noch eine TV-Produktionsgesellschaft, die derzeit drei Sendungen auf großen Sendern laufen hat und vier auf Kabel. Aus Japan, wo er im Fernsehen für das meistverkaufte Bier wirbt, kommen ebenfalls ein paar Millionen jährlich. Er hat eine Produktlinie in Sachen Sportbekleidung, aber das ist bei weitem noch nicht alles. Seine Agenten bezeichnen das Geld, das er nicht mit Schauspielern verdient, als ›zusätzliche Einkommensquelle‹«.
»Man schiebt ihm das Geld also vorn und hinten rein, was?«
»Jedenfalls braucht er nicht zum Winterschlussverkauf zu gehen.«
Die Kellnerin kam an den Tisch, und Ethan bestellte Lachs auf marokkanische Art mit Couscous und dazu Eistee.
Als die junge Dame Hazards Wünsche notierte, drohte die Spitze ihres Bleistifts stumpf zu werden: Lebneh mit Käsestreifen und extra Gurken, Hummus, gefüllte Weinblätter, Lahmacun, Tajine mit Meeresfrüchten … »Und bringen Sie mir noch zwei kleine Flaschen Orangina.«
»Der einzige Mensch, der vor meinen Augen jemals so viel in sich hineingestopft hat, war eine Ballerina, die an Bulimie litt«, sagte Ethan. »Nach jedem Gang ist sie im Klo verschwunden, um sich den Finger in den Mund zu stecken.«
»Ich koste bloß, und ein Ballettröckchen habe ich auch nicht im Kleiderschrank.« Hazard zerteilte sein letztes Stück Kibbeh. »Wie übel ist der gute Manheim eigentlich?«
Durch den Lärmpegel, den die Unterhaltungen der anderen Gäste verursachten, waren Ethan und Hazard fast so ungestört wie auf einem abgelegenen Hügel in der Mojavewüste.
»Man kann ihm einfach nicht böse sein«, sagte Ethan.
»Ist das so was wie ein Kompliment?«
»Im persönlichen Umgang hat er eine ganz andere Wirkung als auf der Leinwand. Er weckt weder positive noch negative Gefühle.«
Hazard schob eine Gabel Kibbeh in den Mund und brummte genüsslich. »Also besteht er bloß aus seinem Image und hat keinerlei Substanz.«
»Das trifft es nicht ganz. Er hat einfach … eine verbindliche Art. Ist großzügig gegenüber seinen Angestellten. Überhaupt nicht arrogant. Aber irgendwie hat er auch so eine – wie soll ich sagen – Schwerelosigkeit an sich. Anderen Menschen, sogar seinem eigenen Sohn, tritt er relativ gleichgültig gegenüber, aber immer auf freundliche Art und Weise. Er ist kein mutwillig mieser Typ.«
»Wenn jemand so viel Geld hat und derart angehimmelt wird, würde man eigentlich ein wahres Monster erwarten.«
»Bei ihm ist das anders. Er ist …«
Ethan unterbrach sich, um nachzudenken. Seit er für Manheim arbeitete, hatte er mit niemandem so viel und so offen über seinen Arbeitgeber gesprochen.
Wenn Hazard und er bei einem gemeinsamen Einsatz in die Schusslinie geraten waren, hatten sie sich auf Leben und Tod aufeinander verlassen müssen. Noch jetzt, das wusste Ethan, konnte er offen seine Meinung sagen, ohne dass etwas nach außen drang.
Wenn er schon einen derart vertrauenswürdigen Gesprächspartner hatte, dann wollte er Manheim nicht nur so ehrlich, sondern auch so eindringlich wie möglich schildern. Vielleicht gelang es ihm dabei sogar, selbst einen besseren Zugang zu seinem Arbeitgeber zu finden.
Nachdem die Kellnerin den Eistee und die zwei Flaschen Orangina gebracht hatte, sagte Ethan schließlich: »Er ist zwar von sich selbst eingenommen, aber nicht wie die anderen Filmstars, also nicht so, dass er einem irgendwie egoistisch vorkommt. Das Geld ist ihm wahrscheinlich nicht egal, aber ich glaube nicht, dass er etwas auf seinen Ruhm gibt oder darauf, was die Leute über ihn denken. Ja, er ist egozentrisch, völlig egozentrisch sogar,
aber es ist wie eine … eine meditative Selbstbezogenheit.«
»Meditativ?«
»Ja. Als würde es in seinem Leben um ihn und die Natur gehen, ihn und den Kosmos, und nicht um ihn und andere Menschen. Es kommt mir so vor, als würde er sich ständig
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