Der Wächter
hatte hier einen eigenen Telefonanschluss, obwohl sie sich schon vor fast zehn Jahren vom Schattenpapa hatte scheiden lassen und seither keine zehnmal über Nacht geblieben war.
Der Schattenpapa hatte einmal zu Freddie gesagt, er rufe gelegentlich bei dieser Nummer an, weil er hoffe, sie werde abnehmen und ihm sagen, sie sei endlich zu ihm zurückgekehrt und werde nun für immer zu Hause bleiben.
Ha, ha, ha. Ha, ha, ha.
Fric hatte schon seit seinem sechsten Geburtstag sein eigenes Telefon. Er rief nie jemanden an, mit einer einzigen Ausnahme: Einmal hatte er die Kontakte seines Vaters benutzt, um sich die Geheimnummer des Filmschauspielers Mike Myers zu beschaffen. Der hatte der Titelfigur von Shrek die Stimme geliehen, und Fric wollte ihm sagen, dass Shrek total, echt, endkrass war.
Mr. Myers war sehr nett gewesen. Er hatte Shreks Stimme und eine Menge anderer Stimmen zum Besten gegeben und Fric damit so zum Lachen gebracht, dass ihm hinterher der Bauch wehtat. An Frics Bauchmuskelkater waren zwei Dinge schuld: Zum einen war Mr. Myers wirklich superlustig, zum anderen hatte Fric seine Lachmuskeln in letzter Zeit nicht so ausgiebig trainieren können, wie es ihm lieb gewesen wäre.
Den letzten Telefonanschluss hatte Frics Vater, der an massenhaft paranormale Phänomene glaubte, für Anrufe aus dem Reich der Toten reserviert. Das war aber eine eigene Geschichte.
Zum ersten Mal in acht Tagen, genauer gesagt seit dem letzten Anruf der Quasimama, hörte Fric nun, wie die Telefone des Eisenbahnzimmers seinen Klingelton schrillen ließen.
Allen Bewohnern des Anwesens war eine individuelle Tonfolge für die entsprechenden Anschlüsse zugeteilt worden. Bei Anrufen für den Schattenpapa erklang ein einfaches Brrrrrrrr . Mrs. McBee hörte auf die musikalischen Töne eines Glockenspiels, und Mr. Trumans Läuten bestand aus den ersten neun Tönen des Titelsongs einer uralten Kriminalserie namens Polizeibericht . Das war zwar bescheuert, was auch Mr. Truman fand, aber er ließ es trotzdem über sich ergehen.
Alles in allem konnte das hochmoderne Telefonsystem zwölf unterschiedliche Klingeltöne hervorbringen. Acht waren Standard, vier – wie beispielsweise die Melodie von Polizeibericht – konnten individuell komponiert werden.
Fric hatte den dämlichsten Standardton bekommen. Im Handbuch der Herstellerfirma wurde er als »fröhliche, kinderfreundliche Melodie« bezeichnet, die »für Krippen und die Zimmer kleiner Kinder« geeignet sei. Wieso Hosenmätze in der Kinderkrippe ihr eigenes Telefon haben sollten, war Fric schleierhaft. Sollten sie etwa im Spielzeugladen anrufen, um sich Beißringe mit Hummergeschmack zu bestellen? Vielleicht sollten sie ja auch nur die Möglichkeit haben, ihre Mami anzurufen, um ihr mitzuteilen: Bäh . Ich hab in meine Windel geschissen , und das fühlt sich gar nicht gut an .
Behämmert.
Uuudilih-uuudilih-uh , sangen die Telefone im Eisenbahnzimmer.
Fric hasste diese Melodie. Das hatte er schon getan, als er sechs Jahre alt gewesen war, und inzwischen hasste er sie noch mehr.
Uuudilih-uuudilih-uh .
Genau solche nervigen Geräusche machten die pelzigen, pummeligen, rosaroten Kreaturen – halb Bär, halb Hund und Halbidiot – in gewissen Videos für Vorschulkinder, die meinten, dämliche Sendungen wie Teletubbys wären der Gipfel humorvoller und lehrreicher Unterhaltung.
Obwohl Fric allein war, schämte er sich mal wieder. Nachdem er zwei Knöpfe am Transformator gedrückt hatte, um den Bahnbetrieb abzustellen, nahm er beim vierten Läuten ab. »Bob’s Burgerschuppen und Kakerlakenfarm«, sagte er. »Unser heutiges Tagesgericht sind Salmonellen auf Toast mit Krautsalat für einen Dollar.«
»Hallo, Aelfric.« Es war eine fremde Männerstimme.
Fric hatte die Stimme seines Vaters erwartet. Hätte er stattdessen die Stimme der Quasimama gehört, dann hätte er wahrscheinlich einen Herzstillstand erlitten und wäre tot aufs Schaltpult gesunken.
Das gesamte Personal – Monsieur Hachette vielleicht ausgenommen – hätte um ihn getrauert. Alle wären furchtbar traurig gewesen. Furchtbar, furchtbar traurig. Etwa vierzig Minuten lang. Anschließend wären sie furchtbar beschäftigt gewesen – beschäftigt mit der Vorbereitung des luxuriösen Leichenschmauses, zu dem ungefähr tausend berühmte und fast berühmte Alkis, Drogis und Schleimscheißer geladen worden wären, die darauf brannten, dem Schattenpapa in den goldenen Hintern zu kriechen.
»Wer ist da?«, fragte Fric.
»Was
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