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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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großen, paillettenbesetzten Styroporschneeflocken. Im zentralen Rundbau glitten zehn lebensgroße künstliche Eisläufer auf Schienen über einen Teich aus falschem Eis, inmitten einer kunstvoll nachempfundenen Winterlandschaft mit Schneemännern, Schneeburgen, mechanischen Kindern, die sich mit Plastikschneebällen bedrohten, und Eisbär-Robotern in komischen Posen.
    Corky Laputa war ganz bezaubert von der reinen, seligen Substanzlosigkeit des Ganzen.
    Auf der ersten Rolltreppe, die zum Erdgeschoss führte, und dann auch auf der zweiten zum Parkhaus grübelte er über allerhand Einzelheiten seines Plans, Rolf Reynerd umzubringen, nach. Beim Einkaufen und bei seinen genüsslich destruktiven Unternehmungen hatte er nämlich bereits einen ebenso kühnen wie einfachen Mordanschlag entwickelt.
    Er war eben von Natur aus ein Mensch, der mehrere Aufgaben zugleich erledigen konnte.
    Leute, die sich nie mit politischer Strategie beschäftigt hatten und denen zudem solide philosophische Kenntnisse fehlten, hätten Corkys Unternehmungen in der Herrentoilette bestenfalls als kindische Streiche bezeichnet. Indes konnte eine Gesellschaftsordnung nur selten ausschließlich durch Gewalttaten zu Fall gebracht werden, weshalb jeder bedachtsame Anarchist sich jede Minute des Tages seiner Sendung widmen und durch kleine wie große Taten Unheil stiften musste.
    Armselige Analphabeten, die öffentliches Eigentum mit gesprühten Graffiti verunstalteten, Selbstmordattentäter, kaum der Rede mächtige Popstars, die zu ansteckenden Rhythmen Wut und Nihilismus verbreiteten, auf Zivilrecht spezialisierte Anwälte, die massive Sammelklagen mit der ausdrücklichen Absicht einreichten, große Firmen und altehrwürdige Institutionen in den Ruin zu treiben, Serienkiller, Drogenhändler, bestechliche Polizisten, korrupte Manager, die die Bücher frisierten und die Pensionskasse beklauten, treulose Priester, die Kinder belästigten, Politiker, die durch Anheizen von Sozialneid ihre Wiederwahl betrieben – sie alle und zahlreiche andere waren auf unterschiedlichen Ebenen am Werk. Manche wirkten so zerstörerisch wie ein außer Kontrolle geratener Güterzug, der aus den Schienen sprang, andere nagten lautlos wie Termiten am Gewebe von Anstand und Vernunft, doch alle trugen sie ihr Scherflein dazu bei, die herrschende Ordnung zugrunde zu richten.
    Hätte Corky irgendwie die Möglichkeit gehabt, die Beulenpest zu verbreiten, ohne dabei sein Leben aufs Spiel zu setzen, so hätte er begeistert alle Leute, die er traf, mit Niesen, Husten, Berührungen und Küssen angesteckt. Wenn er jedoch manchmal nicht mehr tun konnte, als einen Knallfrosch in eine öffentliche Toilette zu spülen, dann förderte er das Chaos eben durch diese winzige Maßnahme, während er auf Gelegenheiten wartete, größeren Schaden zu tun.
    Als er im Parkhaus vor seinem BMW stand, zog er seinen Sportsakko aus. Bevor er sich ans Lenkrad setzte, schlüpfte er wieder in den gelben Regenmantel. Den gelben Südwester legte er griffbereit auf den Beifahrersitz.
    Abgesehen davon, dass der Mantel selbst in strömendem Regen wunderbar dicht hielt, war er das ideale Kleidungsstück, um einen Mord zu begehen. Kam zufällig Blut auf das glänzende Vinyl, konnte man es problemlos abspülen, ohne einen einzigen Fleck zu hinterlassen.
    Gemäß der Bibel hatte alles seine Zeit, das Töten wie das Heilen.
    Da Corky kein großer Heiler war, vertrat er die Ansicht, es gebe eine Zeit zu töten und eine Zeit, nicht zu töten. Nun war die Zeit zu töten da.
    Corkys Abschussliste enthielt mehr als einen Namen, und Reynerd stand durchaus nicht ganz oben. Manchmal war es ganz schön anstrengend, Anarchist zu sein.

18
    Im Luftabschneider kroch Fric verängstigt, keuchend und zweifellos blauer als ein Veilchen aus der Mitte des Raums und lehnte sich mit dem Rücken an eine Stahlwand.
    Der Inhalator in seiner rechten Hand wog nur wenig mehr als ein Mercedes-Geländewagen der M-Klasse.
    Wäre er sein Vater gewesen, dann hätten ihn mehr als genug Menschen umgeben, um ihm beim Heben des blöden Dings behilflich zu sein. Ein weiterer Nachteil, ein schrulliger Einzelgänger zu sein.
    Wegen des Sauerstoffmangels trübten sich seine Gedanken. Einen Augenblick glaubte er, dass seine rechte Hand von einer schweren Schrotflinte zu Boden gezogen wurde. War das vielleicht wirklich eine Flinte, die er aufheben und sich in den Mund stecken wollte?
    Fast hätte Fric das Gerät erschrocken weggeworfen. Dann kam ein Moment

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