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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Klarheit, er erkannte den Inhalator und hielt ihn fest.
    Er konnte weder atmen noch denken, nur schnaufen, husten und wieder schnaufen. Offenbar steigerte sein Zustand sich zu einem jener seltenen Anfälle, die heftig genug waren, um eine Behandlung in der Notaufnahme zu erfordern. Dort würden die Ärzte ihn knuffen und puffen, biegen und falten, während sie über ihre Lieblingsfilme mit Channing Manheim plapperten. Die Szene mit den Elefanten! Der Sprung von Flugzeug zu Flugzeug, mitten in der Luft und ohne Fallschirm! Das sinkende Schiff! Der außerirdische Schlangenkönig! Die lustigen Affen! Anschließend fielen dann Krankenschwestern über ihn her, um ihm zu erklären, was für ein Glück er doch habe und wie aufregend es sein müsse, einen Vater zu haben, der ein Star, ein Held, ein ganzer Kerl, ein Genie war.
    Da konnte er genauso gut hier und jetzt sterben.
    Obwohl er weder Clark Kent noch Peter Parker war, gelang es Fric, sich das Milliarden Kilo schwere Gerät bis vors Gesicht zu heben. Er schob sich das Mundstück zwischen die Lippen und verabreichte sich eine Dosis des Medikaments. Dabei sog er den tiefsten Atemzug ein, zu dem er fähig war, und der war alles andere als tief.
    In seiner Kehle steckte ein hart gekochtes Ei oder ein Stein, vielleicht auch ein riesiger Batzen Schleim, der einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde verdiente, oder eine Art Stöpsel. Was es auch war, es ließ nur einen dünnen Luftstrom eindringen und austreten.
    Fric beugte sich vor. Abwechselnd spannte und entspannte er die Hals-, Brust- und Bauchmuskeln, um mühsam kühle, mit dem rettenden Medikament gemischte Luft in die Lunge zu saugen und den heißen, verbrauchten Atem auszustoßen, der sich wie Sirup in der Brust gesammelt hatte.
    Zwei Hübe. Das war die verordnete Dosis.
    Fric verabreichte sich den zweiten Hub.
    Der leicht metallische Geschmack hätte ihn vielleicht würgen lassen, wenn seine entzündeten und geschwollenen Atemwege dazu fähig gewesen wären, aber das Gewebe konnte sich nicht ausdehnen, sondern nur zusammenziehen, enger, immer enger.
    Gelbgrauer Ruß rieselte vor seinen Augen herab. Es war der langsame Anbruch einer inneren Dämmerung.
    Schwindel überkam ihn. Obwohl er auf dem Boden saß, den Rücken an der Wand und die Beine ausgestreckt, fühlte er sich, als balancierte er mit einem Fuß auf einem schwankenden Hochseil, den Todessturz vor Augen.
    Zwei Hübe. Er hatte die verschriebene Dosis eingeatmet.
    Zu viel zu nehmen war nicht ratsam. Gefährlich.
    Zwei Hübe. Das sollte ausreichen. Normalerweise tat es das auch. Manchmal genügte auch ein Hub, um den Hals aus der unsichtbaren Schlinge zu ziehen.
    Nicht zu viel nehmen. Ärztliche Anordnung.
    Nicht in Panik geraten. Ärztliche Anordnung.
    Dem Medikament die Chance geben zu wirken. Ärztliche Anordnung.
    Zum Teufel mit dem Arzt.
    Fric genehmigte sich einen dritten Hub.
    Aus seiner Kehle kam ein rasselndes Geräusch, das sich wie Knochenwürfel auf einem Spielbrett anhörte. Sein Schnaufen war nicht mehr so schrill; es klang nun weniger wie ein Pfeifen und mehr wie ein raues, zugiges Krächzen.
    Heiße Luft brach explosiv nach außen, kühle Luft drang ein. Fric war auf dem Weg der Besserung.
    Er ließ den Inhalator in den Schoß fallen.
    Im Durchschnitt dauerte es fünfzehn Minuten, bis man sich von einem Asthmaanfall erholt hatte. Nun konnte er nichts mehr tun, als die Sache auszusitzen.
    Die Dunkelheit zog sich von den Rändern seines Blickfelds zurück, und das verschwommene Bild wurde allmählich wieder klar.
    Fric saß auf dem Boden einer leeren Stahlkammer, die keine andere Ablenkung bot als Haken an der Decke. Kein Wunder, dass er diese seltsamen, gebogenen Objekte betrachtete und darüber nachgrübelte.
    Als er zum ersten Mal in den Raum vorgedrungen war, hatte er an eine Filmszene in einem Kühlhaus gedacht, in dem Rinderhälften an Deckenhaken hingen.
    Sein erster Gedanke war gewesen, dass diese Haken von einem wahnsinnigen Genie dazu benutzt worden waren, die Leichen seiner menschlichen Opfer aufzuhängen. Vielleicht war der Raum früher ebenfalls gekühlt gewesen.
    Allerdings waren die Haken nicht weit genug voneinander entfernt, um die Leichen von erwachsenen Frauen und Männern aufzunehmen. Am Anfang war Fric daher zu dem schaurigen Schluss gekommen, dass der Killer tote, gekühlte Kinder gesammelt hatte.
    Bei näherer Betrachtung war ihm dann aufgefallen, dass die Edelstahlhaken nicht spitz genug waren. Sie waren zu stumpf,

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