Der Wächter
Maskenbildnerin seines Vaters ab. Oder dessen persönlicher Hairstylist. Oder der Masseur, der ihn auf jeder Reise begleitete. Oder sein spiritueller Ratgeber Ming du Lac oder einer aus dem Dutzend weiterer Lakaien, die um einen der vier am meisten bewunderten Männer der Welt herumscharwenzelten.
Das Telefon würde von einem zum anderen wandern, über unerfindliche vertikale und horizontale Distanzen, bis sich nach zehn oder fünfzehn Minuten der Schattenpapa meldete. »He, alter Junge«, würde er sagen, »rat mal, wer gerade neben mir steht und mit dir sprechen will!«
Und bevor Fric auch nur ein Wort sagen konnte, würde der Schattenpapa das Telefon an Julia Roberts oder Arnold Schwarzenegger weiterreichen, an Tobey Maguire oder Kirsten Dunst oder an Winnie das Wunderpferd, wahrscheinlich sogar an alle Genannten, und die waren dann alle so richtig lieb zu Fric. Sie fragten ihn, wie es ihm in der Schule gehe, ob er später einmal der größte Filmstar der Welt werden wolle, welche Sorte Hafer er am liebsten im Futtersack habe und so weiter.
Wurde das Telefon dann wieder an den Schattenpapa zurückgegeben, stand sicher schon ein Reporter von Entertainment Weekly bereit, um sich mit dem falschen Ende seines Bleistifts Notizen für ein Feature über den Plausch von Vater und Sohn zu machen. Wenn die Story dann gedruckt wurde, stimmte kein einziges Detail mehr, und Fric stand entweder wie ein weinerlicher Trottel oder wie ein verzogener Weichling da.
Schlimmer noch: Oft kam es vor, dass eine kichernde junge Schauspielerin den Anruf entgegennahm, eines jener so genannten Starlets, das noch keinen richtigen Namen, aber schon einen gewissen Ruf im Showbiz hatte. Es würde ganz entzückt sein von dem Namen Fric, weil solche Mädchen ständig von allem entzückt waren. Im Lauf der Jahre hatte er mit Dutzenden, ja hunderten von ihnen gesprochen, und sie waren ihm so ununterscheidbar vorgekommen wie Maiskolben, die man auf demselben Feld geerntet hatte. Vielleicht züchtete irgendein Farmer sie weit weg in Iowa, um sie dann mit der Eisenbahn nach Hollywood zu liefern.
Seine Quasimama Freddie Nielander konnte Fric nicht anrufen, weil sie sich zweifellos an einem weit entfernten, fabelhaft mondänen Ort wie Monte Carlo aufhielt, um ihr phantastisches Aussehen zur Schau zu stellen. Er hatte keine verlässliche Telefonnummer von ihr.
Mrs. McBee und damit auch Mr. McBee waren nett zu Fric. Offenbar hatten sie immer nur sein Bestes im Sinn.
Trotzdem zögerte Fric, sich in einem solchen Fall an sie zu wenden. Mr. McBee war einfach ein bisschen … dämlich. Und Mrs. McBee war eine alles wissende, alles sehende, ständig Regeln aufstellende und ziemlich bedrohliche Frau, deren leise Worte und missbilligende Blicke wirkungsvoll genug waren, um dem Objekt ihres Tadels innere Blutungen zuzufügen.
Mr. und Mrs. McBee fungierten in loco parentis . Das war ein juristischer Ausdruck aus dem Lateinischen, der bedeutete, dass sie Frics Eltern vertraten, wenn diese abwesend waren, was ja fast immer der Fall war.
Nun gehörten die McBees sozusagen zur Einrichtung des Hauses, das sie schon lange betreut hatten, bevor der Schattenpapa es erwarb. Fric hatte den Eindruck, dass ihre Treue im Grunde eher dem Palazzo Rospo gehörte, dem Ort und seiner Tradition, als ihrem jeweiligen Arbeitgeber oder dessen Angehörigen.
Monsieur Baptiste, der lustige Koch, war ein netter Bekannter, aber kein richtiger Freund, und schon gar kein Vertrauter.
Monsieur Hachette, der furchteinflößende und womöglich wahnsinnige Küchenchef, war keine Person, an die irgendjemand sich in der Not gewandt hätte, der Satan höchstpersönlich einmal ausgenommen. Der Höllenfürst hätte Monsieur Hachettes Rat gewiss geschätzt.
Fric plante jeden Vorstoß in die Küche sorgsam so, dass er Monsieur Hachette nicht in die Arme lief. Mit Knoblauch war diesem offenbar nicht beizukommen, weil er selbst gern Knoblauch verwendete, aber wenn man ihm ein Kruzifix an den Leib drückte, dann ging er bestimmt in Flammen auf und schwang sich wie eine Fledermaus kreischend in die Luft.
Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass der wahnsinnige Küchenchef eben jene Gefahr darstellte, vor der der Mysteriöse Anrufer Fric gewarnt hatte.
Eigentlich konnte fast jeder aus dem fünfundzwanzigköpfigen Personal ein finstere Pläne schmiedender, mordgieriger Irrer sein, der sich listig hinter einer lächelnden Maske verbarg. Ein Axtmörder. Ein Eispickelkiller. Ein
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