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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Seidenschalwürger.
    Vielleicht waren sogar alle fünfundzwanzig Axtmörder, die nur darauf warteten, zuschlagen zu können. Vielleicht wurden ihre Hirne beim nächsten Vollmond mit Wahnsinn überflutet, sodass sie gleichzeitig außer Rand und Band gerieten, grässliche, blutige Gewalttaten begingen und mit Pistolen, Hackbeilen und hektisch surrenden Küchenmaschinen übereinander herfielen.
    Wenn man nicht die ganze Wahrheit darüber wusste, was Vater und Mutter über einen dachten, wenn man wirklich nicht wissen konnte, wer sie waren und was in ihrem Kopf vorging, dann konnte man auch keine klaren Aussagen über andere Leute machen, die einem noch weniger nahe standen.
    Fric vertraute einigermaßen darauf, dass Mr. Truman kein Psychopath mit einer Vorliebe für Kettensägen war. Schließlich war Mr. Truman einmal Polizist gewesen.
    Außerdem war irgendetwas an Ethan Truman wirklich in Ordnung. Mit Worten hätte Fric es nicht recht ausdrücken können, aber er nahm es irgendwie wahr. Auf Mr. Truman konnte man sich verlassen. Wenn er in ein Zimmer kam, war er wirklich da , und wenn er mit einem sprach, bestand eine echte Verbindung zu ihm.
    Jemand wie ihn hatte Fric zuvor noch nie kennen gelernt.
    Trotzdem wollte er selbst Mr. Truman nichts von dem Mysteriösen Anrufer und der Notwendigkeit erzählen, ein Versteck zu finden.
    Zum einen hatte er Angst, dass man ihm keinen Glauben schenkte. Jungen seines Alters dachten sich oft die wildesten Geschichten aus. Fric zwar nicht, aber andere Jungen; und Fric wollte nicht, dass Mr. Truman ihn für einen kindischen Lügenbold hielt.
    Zum anderen sollte Mr. Truman nicht glauben, dass Fric ein Angsthase war, ein jämmerlicher Hosenscheißer, ein elendes Weichei.
    Niemand würde jemals glauben, dass Fric x-mal die Welt retten könnte, wie sein Vater es in so vielen Filmen getan hatte, aber trotzdem wollte er nicht, dass irgendjemand ihn für ein ängstliches Kleinkind hielt. Besonders Mr. Truman nicht.
    Außerdem machte es irgendwie Spaß, ein solches Geheimnis zu besitzen. Das war besser, als mit der Eisenbahn zu spielen.
    Er blickte in den nassen Tag hinaus und erwartete fast, einen flüchtigen Blick von einem Schurken erhaschen zu können, der in Regen und Nebel durch den Garten schlich.
    Als das Telefon des Mysteriösen Anrufers etwa hundertmal geläutet haben musste, ohne dass jemand abgenommen hätte, ging Fric zu seinem Apparat und legte auf.
    Er hatte zu tun. Musste Vorbereitungen treffen.
    Etwas Schlimmes war im Anzug. Fric war bereit, ihm entgegenzutreten, ihm ins Auge zu schauen und es zu besiegen.

19
    Unter einem schwarzen Regenschirm ging Ethan Truman durch das grasbewachsene Gräberfeld. Seine Schuhe quietschten auf dem nassen Boden.
    Riesenhafter Trauerwacholder klagte im Einklang mit dem weinenden Tag; im Schutz der Zweige regten sich Vögel wie aus dem Grab erstandene Geister, wenn Ethan ihnen nahe genug kam, um sie aufzuschrecken.
    Soweit er sehen konnte, ging er allein über die ewige Ruhestätte. Im Allgemeinen stattete man seinen verlorenen Lieben nur an sonnigen Tagen einen Besuch ab, wenn die Erinnerungen so heiter waren wie das Wetter. Mitten in Sturm und Regen kam niemand freiwillig auf einen Friedhof.
    Niemand außer einem ehemaligen Polizisten, den eine unbezähmbare Neugier antrieb und ein angeborener Drang, die Wahrheit zu erfahren. Ein Uhrwerk in Leib und Seele, vom Schicksal bestimmt und als Geburtsrecht verliehen, zwang ihn dazu, jedem Weg zu folgen, auf den Verdacht und Logik ihn führten.
    In diesem Fall Verdacht, Logik und Angst.
    Unwillkürlich überkam ihn die seltsame Überzeugung, dass er nicht der erste Besucher des Tages war und dass er in dieser Bastion der Toten etwas Beunruhigendes entdecken würde, wenngleich er sich vorerst nicht ausmalen konnte, was.
    Grabsteine aus verwittertem Granit, mit Flechten überzogene und vom Smog befleckte Mausoleen, durch ihr Gewicht geneigte Gedenksäulen und Obelisken – keines dieser herkömmlichen Versatzstücke wies diesen Ort als Friedhof aus. Die Markierung der Gräber – eine Bronzetafel auf einem Sockel aus hellem Granit – war nicht höher als das Gras. Aus der Ferne sah die Fläche wie ein ganz normaler Park aus.
    So strahlend und einzigartig Hannah auch im Leben gewesen war, hier wurde an sie mit derselben matten Bronzeplatte erinnert wie an die tausende, die mit ihr im ewigen Schlaf ruhten.
    Ethan besuchte ihr Grab sechs- oder siebenmal im Jahr, darunter einmal an Weihnachten und immer

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