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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Herzmuskels mitgerissen. Schon im Fallen war der Mann reif fürs Leichenschauhaus gewesen.
    Das vom Tod geblendete Blau in den weit aufgerissenen Augen des Schauspielers sah weniger kalt aus als noch zu Lebzeiten. Jetzt hätte er gegen ein wenig Jesus wohl nichts mehr einzuwenden gehabt.
    Hazard trat über die Leiche aus der Wohnungstür und sah, wie der Schütze das Ende des Flurs erreichte. Der Kerl sprang zwei Treppenstufen auf einmal hinab. Hazard nahm die Verfolgung auf.

21
    Über der Stadt schüttelte der schwindende Tag nasse Fäden aus Nebel und trübem Nieseln aus seinem grauen Bart. Noch war das strenge Gesicht der Nacht nicht ganz erschienen.
    In einer Straße mit Kunstgalerien, eleganten Boutiquen und Restaurants, in denen es mehr um die elitäre Pose ging als ums Essen, lenkte Ethan seinen Geländewagen so eng an den rot bemalten Randstein, dass zwei Räder in der überfluteten Gosse standen. Er vertraute darauf, dass die Politessen bei schlechtem Wetter wesentlich weniger eifrig Strafzettel verteilten als bei gutem.
    Die Geschäfte in diesem Viertel, die um eine anspruchsvolle, exklusive Kundschaft warben, verzichteten auf eine knallige Schaufensterdekoration und begnügten sich mit dezenten Schildern. Simpler Mammon macht Lärm, Reichtum flüstert.
    Die Läden waren noch nicht geschlossen, und die meisten Restaurants wurden erst in einer Stunde geöffnet. Frühes Lampenlicht vergoldete die tropfenden Blätter der Bäume am Straßenrand und verwandelte den nassen Gehsteig in einen mit Piratenschätzen gepflasterten Märchenpfad.
    Weil er keinen Schirm dabeihatte, hielt Ethan sich im Schutz der Markisen vor den Schaufenstern, die alle gelbbraun, tannengrün, silberfarben oder schwarz waren – mit Ausnahme des Sonnendachs vor einem Blumenladen, das in tiefem Korallenrosa leuchtete.
    Eigentlich handelte es sich wohl um einen reinen Rosenladen, jedenfalls sah man hinter den Glastüren der gekühlten Vitrinen, die an den Wänden des großen Verkaufsraums standen, keine anderen Blumen als Rosen. Sonst gab es nur einen Vorrat an Farnwedeln und anderem Grünzeug, mit dem farbenprächtige Sträuße und Arrangements aufgelockert werden konnten.
    Obwohl nun schon fünf Jahre vergangen waren, seit Ethan seine Frau unter einem Berg von Rosen zur letzten Ruhe gebettet hatte, konnte er noch immer viele Sorten beim Namen nennen. Hannah war eine begeisterte Gärtnerin gewesen.
    Dort drüben standen Rosen mit einem so dunklen Rot, dass sie fast schwarz aussahen. Auch wegen ihrer samtigen Blütenblätter verdienten sie ihren Namen: Black Magic.
    Da war die nach John F. Kennedy benannte Rose, deren weiße Blütenblätter so dick und glänzend waren, dass sie geformtem Wachs glichen.
    Die Charlotte Armstrong: große, duftende Blüten in tiefem Rosa. Die Jardins de Bagatelle, die Rio Samba, dann die Paul McCartney, Auguste Renoir und Barbara Bush gewidmeten Varietäten, die Voodoo und die Bride’s Dream.
    Hinter der Theke stand eine besonders bemerkenswerte Rose, die so aussah, wie Hannah mit sechzig Jahren hätte aussehen können. Dichtes, grau-weißes Haar, zu einem kurzen Zottelkopf geschnitten; große dunkle Augen voller Leben und Daseinsfreude. Statt die Schönheit dieser Frau schwinden zu lassen, hatte die Zeit sie mit einer Patina aus Erfahrung bereichert.
    Ethan warf einen Blick auf das Namensschild an der Bluse der Floristin. »Rowena«, sagte er dann, »die meisten Rosen in den Vitrinen da sind Teehybriden. Wie steht’s mit Kletterrosen – mögen Sie die nicht?«
    »Doch, ich mag jede Sorte Rosen«, antwortete Rowena. Ihre Stimme klang warm und melodisch. »Aber Kletterrosen nehmen wir nur selten. In Arrangements wirken Sorten mit längerem Stängel einfach besser.«
    Ethan nannte seinen Namen und schloss eine Erklärung an, die ihm in solchen Situationen zur Gewohnheit geworden war: Er sei früher bei der Mordkommission gewesen, arbeite seit kurzem aber als Assistent einer bekannten Persönlichkeit.
    In Los Angeles und Umgebung gab es haufenweise Schaumschläger und Wichtigtuer, die behaupteten, in der Welt der Reichen und Berühmten zu verkehren. Trotzdem glaubten normalerweise selbst Leute, die in dieser Stadt der Selbstinszenierung zu Zynikern geworden waren, was Ethan ihnen erzählte. Zumindest taten sie so.
    Hannah hatte gemeint, er wirke so vertrauenerweckend, weil er eine Kombination aus der ruhigen, stählernen Stärke von »Dirty Harry« Callahan und der aufrichtigen Unschuld von Huck Finn darstelle.

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