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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vorbeiging, angeführt von einem Golden Retriever an der Leine.
    Der Hund sah zu Ethan hoch. Die Augen wirkten so weise, wie sie dunkel glänzten.
    »Guten Abend«, sagten die beiden jungen Leute.
    Ethan, der kein Wort herausbrachte, nickte.
    »Auf geht’s, Tink!«, sagte die Frau drängend und wiederholte dann den Befehl, weil der Hund zögerte.
    Der patschnasse Golden Retriever hob die Schnauze, um in der eisigen Luft zu schnuppern. Dann stolzierte er davon, gefolgt von seinen Gefährten.
    Ethan drehte sich um und warf einen Blick auf die Floristin, die zwischen gläsernen Särgen voller Rosen noch immer hinter der Ladentheke stand.
    Offenbar hatte Rowena ihm hinterhergeschaut; nun senkte sie sofort den Blick, als hätte sie etwas zu tun.
    Auf Beinen, die so schwankend waren wie sein logischer Verstand, ging Ethan den Weg zurück, auf dem er hergekommen war. Geschützt von den Markisen der Läden und Restaurants näherte er sich seinem im Parkverbot stehenden Wagen.
    Ein Stück weiter vorn schaute Tink zweimal zu Ethan zurück, blieb jedoch nicht stehen.
    Ethan kam an einem Restaurant vorbei, hinter dessen Fenstern Besteck und Gläser im Kerzenlicht funkelten. Als er den hefigen Duft frisch gebackenen Brots einsog, dachte er: das Brot des Lebens.
    Am Ende der Ladenzeile schaute der Hund noch einmal zurück. Dann verschwand das Trio um die Ecke.
    Der Verkehr auf der Straße war schwächer als sonst zu dieser Zeit und bewegte sich schneller, als dem Wetter angemessen war.
    Als Ethan an der roten Zone nahe der Kreuzung angekommen war, blieb er unter der letzten Markise stehen – und überlegte sich, ob er einfach an Ort und Stelle verharren sollte, in sicherer Entfernung von der Straße, und zwar bis die Nacht der Morgendämmerung gewichen war.
    Im herannahenden Verkehr entstand eine große Lücke.
    Mit seiner zitternden Rechten kramte er die Schlüssel aus der Jackentasche und drückte auf die Fernbedienung, um das Schloss zu öffnen. Sein Wagen zwitscherte ihm zu, aber Ethan ging keinen Schritt weiter.
    Als er zur Kreuzung hinüberschaute, sah er die Scheinwerfer des Chryslers, der sich mit viel zu hoher Geschwindigkeit näherte.
    Mit schlingerndem Heck kam der Wagen in die Kreuzung gerast. Die Räder blockierten, der Chrysler drehte sich um die eigene Achse und schlitterte dabei so nah an Ethans Wagen vorbei, dass er ihn um ein Haar geschrammt hätte.
    Hätte Ethan neben der Fahrertür gestanden, wäre er zwischen den Fahrzeugen zermalmt worden wie eine Flipperkugel zwischen zwei feindlichen Hebeln.
    Da kam auch schon der riesige Lastwagen. Druckluftbremsen kreischten.
    Mit einem scharfen, stotternden Bellen schlitterten die Reifen des Chryslers über den nassen Asphalt, bis der Wagen auf die entgegengesetzte Fahrspur gelangt war, wo er hingehörte.
    Dort, wo der Chrysler gerade eben vorbeigeschleudert war, kam der Truck zitternd und bebend zum Stehen.
    Im selben Augenblick hatte der Fahrer des Chryslers seinen Wagen offenbar wieder in der Hand und raste mit geringerem, wenngleich noch immer rücksichtslosem Tempo davon.
    Wütend drückte der Trucker auf die Hupe. Dann setzte er seinen Weg auf der Route fort, der er vor dem Beinahezusammenstoß gefolgt war, auf das Ziel zu, das sein unbehindertes Schicksal für ihn vorgesehen hatte.
    Hinter dem Lastwagen hatte sich die Lücke im Verkehr wieder geschlossen.
    Die Ampel an der Kreuzung sprang um. In zwei Richtungen kam der Verkehr zum Stehen, in zwei anderen setzte er sich in Bewegung.
    Der köstliche Duft backenden Brotes erfüllte die Luft.
    Goldenes Laternenlicht warf Dublonen aufs Pflaster.
    Das Rieseln und Rauschen des Regens.
    Womöglich war die Ampel noch zweimal oder gar dreimal umgesprungen, bevor Ethan spürte, dass ihm die linke Hand wehtat. Der krampfartige Schmerz hatte sich bereits in die Unterarmmuskeln ausgebreitet.
    Zwischen den gewaltsam geballten Fingern der Faust steckte der Faden mit den drei silbernen Glöckchen, die ein mitfühlender Sanitäter von der Girlande im Rettungswagen geschnitten und Ethan gegeben hatte.

26
    Es war ein Anblick wie bei einem Gelage im alten Rom, bei dem sich die degenerierte Oberschicht mit frivol verrutschten Togen auf Lotterbetten rekelte. Mal entblößten die namenlosen Toten eine glatte, samtene Schulter, mal die bleiche Rundung einer Brust oder einen blau geäderten Oberschenkel, mal eine Hand, deren Finger sich zu einer raffiniert obszönen Geste krümmten, mal einen zarten Fuß und einen schlanken Knöchel und

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